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Heute zu Wort kommt:

Eric Ossowski

Vinyl vs. Digital – oder: Muss die Welt immer eine Scheibe sein?

Während ich diese Zeilen schreibe, läuft im Hintergund das neue Thron-Album. Als MP3. Auch Plattenfirmen gehen mit der Zeit und haben schon lange von physischer auf digitale Bemusterung umgestellt. Unschön, oder?

Aber nicht nur wir (Möchtegern-) Journalisten treten, ob wir nun wollen oder nicht, mit den Segnungen der modernen Technik in Kontakt. Jedem Musikfan stehen heutzutage diverse Formate zur Verfügung, in denen das neue Album der Lieblingsband angeboten wird. Die Vorteile des Streaming liegen dabei auf der Hand. Man braucht schlichtweg keinen Platz mehr für seine Musik, ganz zu schweigen von dankbaren Freunden bei einem Umzug... Auch der Preis ist durchaus attraktiv, zahlt man für einen Premium-Account eines Anbieters kaum mehr als 10 Euro monatlich. Ich möchte nicht nicht wissen, wie viele Leute sich hier für den Rest den Monats von Haferflocken ernähren, weil Maiden mal wieder ein Deluxe-Box-Set herausbringen oder man dann doch auch noch die 7. Farbe der aktuellen Cannibal Corpse-Scheibe braucht. Soweit, so praktisch. Und das Beste: Über Spotify und Co. hat man praktisch auf alle Scheiben zugriff, die seit dem späten Mittelalter veröffentlicht wurden. Und genau hier liegt für mich das Problem.

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"Was nichts kostet, ist nichts wert" – hat den Spruch nicht jeder schon einmal von seiner Oma gehört? Und damit meine ich nicht die explodierenden Vinyl-Preise. Seit das schwarze Gold wieder im Mainstream angelangt ist, möchten die großen Firmen eben auch neben den allgemeinen Rohstoffverteurungen gut, um nicht zu sagen sehr gut, verdienen. Nun muss jeder für sich selbst ausmachen, ob er 40 Euro für ein Doppelalbum oder 30 Euro für das einfache Vinyl hinblättert. Tonträger sind Luxus, niemand braucht sie wirklich. Aber ganz ehrlich: Ich möchte meine Platten und CD-Regale nicht missen, seien sie auch noch so unpraktisch. Am Computer oder Handy ist man ohnehin oft genug. Nach Feierabend möchte ich einfach vor dem Regal sinnierend auf und ab schreiten und dabei das Objekt der Begierde aus dem Fach ziehen. Anfassen. Das Cover betrachten (natürlich gerade im Vinylformat lohnenswert). In den Player oder auf den Teller legen. Auch das System der Ordnung sagt dabei einiges über den Fan aus. Strikt alphabetisch? Nach Ländern geordnet (kein Witz – ich kenne solche Leute)? Oder nach Genres? Ich habe mich für letzteres entschieden, auch wenn mich die Frage, ob ich Metallica nun bei Thrash/Speed, Heavy Metal oder Müll (St. Anger) einordnen soll, manchmal nachts schweißgebadet aufwachen ließ.Vorteil: Man läuft nicht Gefahr, in sommerlicher Partylaune plötzlich "Transilvanian Hunger" zu erwischen. Aber egal. Wie auch immer: Physische Tonträger bieten einem die Chance, sich intensiv mit seinem Hobby auseinander zu setzen. Und noch einen oft vergessenen Vorteil haben Cds und Vinyl gegenüber der Konserve: Wie oft kommt es vor, dass ein Album beim ersten Hören nicht richtig zündet? Beim Streaming wird da schnell mal die Skip-Taste betätigt. Aus und vorbei – Song, Band, Album scheiße. Wenn ich aber in einen Tonträger investiert habe, schmeiße ich den sicher nicht nach dem ersten Hören wieder weg, sondern gebe der Band auch eine zweite und dritte Chance. In manche Alben muss man sich halt reinhören. Ein gutes Beispiel war bei mir die letzte Voivod. Würde ich Spotify nutzen, hätte ich die wohl einmal gehört und danach liebe wieder zu "Dimension Hatröss" gegriffen. Dann wäre mir aber mit "Synchro Anarchy" ein Klassealbum entgangen, das seine Qualitäten mir aber erst nach diversen Runden auf dem Plattenteller offenbart hat.

Es liegt mir fern, hier zum Tonträgerkauf zu missionieren. Vielmehr geht es mir hier um persönliche Erfahrungen und die Leidenschaft, sich mit einer Musik auseinanderzusetzen, die alles zu bieten hat: Harte (und nicht so harte) Gitarrenmusik in all ihren Schattierungen. Und egal, ob man sich "Back In Black" bei Spotify gönnt, es auf den Plattenspieler legt oder es sich vom Drehleiermann vororgeln lässt, es bleibt doch das beste Album aller Zeiten!


Statements der Twilight Redaktion

Jens "Linse" Dunemann

Also Herr Ossowski, Haferflocken schmecken zunächst einmal, sind gesund und nahrhaft!!! Und für musikalische Special-Editions meiner Alltime-Faves Maiden würde ich auch mal ´nen Monat Diät machen, wenn es denn da WIRKLICH lohnenswerte Editionen gäbe... Und wer für ´nen Re-Release von "The Number Of The Beast" in Form eines Triple-Vinyls trotz oder wegen ´nem Live-Bonus 80 Euro oder wahlweise als Tape ohne irgendwelchen zusätzlichen Schnickschnack 22 Euro hinblättert, hat eh die Kontrolle über sein Leben verloren! Übrigens möchte ich in diesem Zusammenhang mal darauf hinweisen, dass ausgerechnet Peaceville mit DARKTHRONE´s "Astral Fortress" zum heißesten Scheiß in Sachen buntem Vinyl-Overkill aufgestiegen sind. Diversity und Black Metal scheinen also doch zusammen zu gehen. Aber nee, die machen ja jetzt Ancient Metal.

Was nichts kostet ist nix wert? Am Arsch die Räuber!!! 10 Euro für einen Premium-Account eines Spoti-Dingens oder dergleichen...? Ich gebe ja zu, dann und wann schon einmal darüber nachgedacht zu haben, ob ich sowas nicht doch gebrauchen kann, um dann schlussendlich aber immer wieder an den Punkt zu kommen, dass mich das nicht wirklich weiter bringt. Ist es doch jetzt schon nahezu unmöglich, meiner Tonträger-Sammlung gerecht zu werden, obwohl ich selbstverständlich regelmäßig und oft Musik höre. Und für Inspiration und Neuentdeckungen, da reichen mir Youtube & Co. massig hin. Dort gibt es dann bestensfalls sogar noch einen visuellen Bonus obend drauf. Um auf die Kosten zurück zu kommen. Zehn Euro im Monat machen über´s Jahr gerechnet schon den einen oder anderen Tonträger aus. Und dann ist es ja nicht so, als dass vom Konsumenten am künstlerischen Ende der Vertriebskette relevanten Summen ankommen. Immerhin dürfen ENSLAVED im aktuellen Deaf Forever #52 stolz verkünden, dass sie jährlich genug über Spotify verdienen, um sich gemeinsam im Proberaum eine Flasche Cola teilen zu können. Vielleicht sollten sie das Geld lieber in Spotify-Aktien, statt in Zuckerwasser investieren...?

 

Meine Sammlung ist übrigens stumpf nach Alphabet geordnet, wobei ich Cds, die immer noch den Großteil meiner Sammlung ausmachen, Digis und Jewelcases separat aufbewahre. Spezielle Formate kommen dann in die Vitrine oder werden anderweitig aufbewahrt. So finde ich sowohl DARKTHONE´s "Transylvanian Hunger", als auch "Welcome To Sky Valley" von KYUSS blind, übrigens beides famose sommerliche Party-Kracher wie auch -Sprenger, es kommt eigentlich nur auf die Tages- oder Nachtzeit und das Umfeld, in dem man sich bewegt, an. Die wahren Cracks sortieren allerdings nicht einfach nur nach Stilen, Ländern und/oder Alphabet, sondern so richtig trve ist eine Sammlung wohl erst, wenn Teile davon in die Küche umziehen müssen, wenn auf dem Klo kein Platz mehr ist. Ich gebe zu, mit Tonträgern umziehen ist scheiße, so hatte ich die erste Ehekrise vor Jahren bei einem Umzug, obwohl ich noch gar nicht verheiratet war. Übrigens sind die Sammlungen von meiner Frau und mir nach wie vor strikt getrennt. Nun hat meine bessere Hälfte wahrlich keine schlechten Musikgeschmack aber allein der Gedanke daran, dass die eigene Sammlung "verwässert" werden könnte, reicht als Grund.

 

Wie schon erwähnt, bin ich zwar mit dem Vinyl meiner Eltern großgeworden aber mit der Kassette und der Compact Disc so richtig sozialisiert worden. Richtig, die Kassette, da war doch was... Der Banause Ossowski hat das Tape vollkommen wegignoriert! Ich weiß, die Kassette ist heutzutage vermutlich das unpraktischste und fragilste Medium, was der Markt hergibt. Zumal viele Menschen neben der ständigen Furcht vor dem Bandsalat den Sound bemängeln. Ernsthaft? Ich höre seit meiner Kindheit Musik. Die Vorliebe für Punk, Rock und Metal manifestierte sich verdammt noch mal früh, hinter mir liegen heute Jahre als Musiker und unzählige Konzerte, Stunden in Proberäumen mit und ohne Stöpseln: Wenn ich jemals das absolute Gehör gehabt hätte, es wäre mir definitiv soweit abhanden gekommen, als dass ich heute über die Vorzüge des Sounds von MP3/Streaming, CD, Vinyl oder Kassette referieren könnte, geschweige denn wollte... It´s just Rock `N´ Roll! Ich bekomme heute noch ein wohliges Gefühl im ganzen Körper, wenn ich an mein x-fach kopiertes Tape mit "Generator", "Big Bang" und "No Control" von BAD RELIGION denke. Die Perfektion der Unvollkommenheit. Keine CD-Qualität kommt an die Emotionen heran, die dieser technische Unfall einer Raubkopie in meiner Jugend ausgelöst hat und noch heute auslöst!

Natürlich weiß ich auch die Vorzüge von MP3 zu schätzen, sowohl daheim, als auch unterwegs. Genauso wie ich in den vergangenen fünf bis zehn Jahren Vinyl und Kassetten neu zu schätzen und lieben gelernt habe. Nicht zuletzt, weil ich während der Pandemie fehlende Konzerte durch Tonträgerkäufe und schließlich auch auch durch den Kauf neuer Hardware für die analogen Medien kompensiert habe. Seither hat so mancher lieb gewonnene Klassiker, der mir bisher noch fehlte, den Weg in meine Sammlung gefunden. CDs höre ich heute vor allem im Auto ganz klassisch. Hier hat mein alter CD-Schuber, den ich regelmäßig neu bestücke, noch lange nicht ausgedient.

Kommen wir doch aber noch einmal auf die Kosten zurück. So lange sich der Konsument melken lässt, wird es auch in gewisser Weise Abzocke von Leuten bzw. Labels geben, die es sich auf den Trittbrettern der Musiknerds bequem machen. Auch ich rege mich nicht erst seit heute über die gestiegenen Vinylpreise in zunehmender Verbindung mit "billiger" Aufmachung und nachlassender Qualität, nicht zuletzt bei Re-Releases auf. Dabei bin ich der letzte, der nicht bereit ist, eine Veröffentlichung, der man neben der musikalischen auch die Qualität, die in die Aufmachung und das Endprodukt gesteckt wurde, ansieht und anfühlen kann, angemessen monetär zu honorieren. Gerade kleinere Labels wie Vàn Records, Lycanthropic Chants oder Dying Victims gehen hier erfreulicherweise mit gutem Beispiel voran, während große Labels sich offensichtlich selbst die Infrastruktur für Downloads zu analogen Veröffentlichungen zu Gunsten der Gewinnmaximierung sparen. Wer sich über Standard-Vinylveröffentlichungen jenseits der 30 Euro beschwert, dem dürfte jedoch auch nicht verborgen geblieben sein, dass selbst bei den CD-Neuveröffentlichungen die Preise mittlerweile beachtliche Sphären erreichen.Von METALLICA-, OZZY- oder IRON MAIDEN-Tapes zu Wucherpreisen mal ganz abgesehen.

Ich für meinen Teil versuche da immer im Rahmen von Preis, Leistung und Schmerzgrenze abzuwägen. Wobei ich zugebe, dass auch bei mir die Schmerzgrenzen varieren, je mehr oder weniger ich mich einer Band oder einem Künstler und der Musik emotional verbunden fühle. Von daher konnte ich mich beispielsweise Pseudo-Doppel-Vinyls mit zwei Songs pro und Edging auf der D-Seite oder überteuerten, billigen Standard-Einfachvinyls ohne Download bisher leider nicht vollständig widersetzen.

Bis auf das klassische Streaming nutze ich alle gängigen Formate und weiß diese mit all ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen zu schätzen. Gerade bei Musik, bei der die Atmosphäre im Vordergund steht, greife ich im Zweifel eher zum Standard-Jewelcase der CD, als dass ich mir den flüssigen Hörgenuss durch ständiges rotieren am Plattenteller zerstören lasse. Und egal ob CD, Vinyl oder Tape. Mit Liebe und Hingabe kann man unabhängig von der Größe des Artworks außergewöhnliche Veröffentlichungen zaubern, die den reinen Konsum von Musik zur Leidenschaft werden lassen.

Streaming dürfte jedoch im Zweifel auch keine Ursache dafür sein, dass sich einem Musik über den ersten Höreindruck hinaus nicht erschließen lassen will. DARK TRANQUILLITY´s "Projector" war 1999 so ein Paradebeispiel, welches ich mir ein zwei Jahre in den Schrank stellen musste, um es irgendwann herauszuholen und festzustellen, welch´ grandioses Werk man da erschaffen hatte. Gleichzeitig konnte ich jedoch mit RAMMSTEIN zu Beginn ihrer Karriere nichts anfangen, bis ich sie mit "Mutter" inkl. der beiden Vorgänger lieben lernte. Wegschmeißen wäre jedoch bei "Roots" von SEPULTURA 1996 deutlich günstiger gewesen. Ich war seinerzeit nach dem ersten Durchlauf daheim so sauer, dass ich die Scheibe nach der Bandprobe schnell noch vor Ladenschluss gegen die am gleichen Tag erschienene "Sundown" von CEMETARY umtauschen wollte. Beim Ausparken übersah ich jedoch in meiner Wut einen gemeinen Betonpfosten. Neben der CD, die ich nun erst später vom Hacken bekommen sollte, hatte mein schöner Autowagen nun noch eine stattliche "Kerbe" im Heck. "Sundown" liebe ich noch heute einschließlich des herausragenden Wahlin-Artworks, während ich mir "Roots" nach wie vor nicht anhören kann und selbst "St. Anger" häufiger am Stück gehört habe, als den Anfang vom Ende der Brasilianer.

Bleibt noch die Frage nach dem dem besten Album aller Zeiten. Sorry Eric, "Back In Black" ist es jedenfalls nicht! Was aber dann? Ich weiß es nicht. Selbst bei Maiden kann ich meinen Favoriten lediglich auf die Dreifaltigkeit von "Powerslave", "Somewhere In Time" und "Seventh Son Of A Seventh Son" eindampfen. Es gibt einfach viel zu gute Musik aber IRON MAIDEN sind zumindest die beste Band aller Zeiten!

Und by the way: Lemmy war, ist und bleibt Gott. Amen!

 

Tobias Trillmich

Tja, vieles ist schon gesagt und eine Diskussion zur besten Platte aller Zeiten mache ich mal nicht auf und auch zu den zig Vinylfarben äußere ich mich hier mal nicht.
Kolumnen haben ja den Vorteil, subjektiv sein zu können. Um es vorweg zu sagen, ich habe weder Spotify, Deezer oder ähnliches und will es auch nicht haben. Als Schreiberling kommt man aber gar nicht drum herum, Musik auch digital zu hören. Dafür gibt’s schöne Dinge wie den Teufel Connector, um die Musik auf der Festplatte übersichtlich zu halten und problemlos über Anlage hören zu können. Und wenn ich in Büchern wie ´Contract in Blood´ über die britische Thrash Szene schmökere ist es klasse, Bands kurzfristig anchecken zu können. Wie Eric richtig angemerkt hat, war die Insel da nicht gerade das Eldorado des qualitativ hochwertigen Thrashs. Aber zurück zum Thema.
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Mir ist inzwischen vieles zu schnell verfügbar und es wird zunehmend oberflächlicher. Es ist erwiesen, dass das Streaming sich bereits auf das Songwriting auswirkt. Lange Intros, viel Zeit bis zum ersten Chorus? Nee, lieber nicht, denn dann wird schon weitergesippt. Wie schön war es über Jahre sonntags auf Plattenbörsen zu fahren um ein bestimmtes Vinyl zu suchen. Da war es dann fast schon schade es zu haben. Um es mit Lemmy zu sagen: „The chase ist better than the catch.“ Und nebenbei ergaben sich viele Kontakte zu Händlern und anderen Liebhabern.

Das Thema Cover wurde ja schon genannt, gerade Scheiben mit Werken von Künstlern wie Dan Seagrave oder Andreas Marschall entfalten durch die vielen Details ihre Faszination. Diskussionen darüber, welche Platten auf dem Cover von TANKARDs 'The Morning After´ im Regal stehen, gibt’s nur mit mit Cover in Vinylgröße.

Und ich weiß noch genau, wie ich das erste Mal die ´Beyond The Gates´ LP von POSSESSED ausgepackt habe – sensationell. Und eine Entschädigung für den qualitativen Abfall gegenüber ´Seven Churches´. Nur ein Cover reicht dann halt auch nicht für ein legendäres Album.

Und noch ein anderer Punkt: In unregelmäßigen Abständen mache ich mit Feunden Metal Abende. Da werden dann nur Platten und vereinzelt CDS aufgelegt. Da wird natürlich gestöbert und plötzlich merkt man, dass ein Frühwerk von Ed Repka die erste LUDICHRIST schmückt, deren zweite Platte im Morrissound aufgenommen wurde, ehe Scott Burns dort tätig war. Auch die Thanks-Listen lohnen sich bis heute, so bedanken sich
IMG 20230323 WA00011SPHINX auf ´Deathstroke´ von 2022 bei Mickey Krause dafür, dass er nicht auf der Platte singt – Kracher! Dann sind da gerade bei alten Scheiben noch die Collagen auf den Innencovern.
Klar höre ich auch mal Musik nebenbei. Um Musik zu konsumieren reicht ein Streaming, wenn ich Musik hören will, lege ich sie auf  und nehme das (Innen)Cover in die Hand. Alben sind mehr als  die Musik.
Ein Wort noch zum Nachhaltigkeitsfaktor: das Streaming ist auch nicht gerade umweltfreundlich. Neulich habe ich gelesen, dass Netflix mehr CO₂ braucht als ganz Spanien.




Auszug Quelle HAZ:

Noch ein Aspekt der mir aufgefallen ist, weil sogar die Hannoveraner Allgemeine Zeitung das Thema Streaming vs. Tonträger behandelt hat. Erwiesenermaßen und wirtschaftlich nachvollziehbar gibt es zunehmend mehr Singles und weniger Alben. Der Reiz vieler Alben besteht auch darin, dass sie den Hörer über die gesamte Spielzeit in eine andere Welt entführen. Dazu gehören auch Intros Outros und Zwischenspiele (´z.B. Leading The Rats´ von MORBIS ANGEL). Wer nur ´Sleepless´ als Hitsingle von ANATHEMAs ´Serenades´ gehört hat verpasst einiges. Das wäre ja fast als würde man nur einen Trailer statt eines Films schauen. Netter Einblick, aber doch (zu) wenig.

Kersten Lison

Vinyl ist natürlich auch noch eine analoge Oase in der durchdigitalisierten Welt. In Zeiten, in denen die großen Internetzkonzerne unser Leben zunehmend durch ihre Algorithmen und ihre künstliche Intelligenz bestimmen, ist der Griff zur Schallplatte fast schon ein aufsässiger, rebellischer, ja nahezu revolutionärer Akt gegen den im wahrsten Sinne des Wortes MainSTREAM. Ein aktives bewusstes Statement der Freiheit. Das liebevolle Sammeln der Langspielplatten, die fachgerechte Aufbewahrung, die richtige Pflege, das stimmungsabhängige Auswählen, der zeremoniale Abspielakt, das wissbegierige Lesen der Lyrics oder das erhabene Betrachten der Cover: das alles sind Aktivitäten, die nicht nur einen besonderen Reiz ausüben, sondern die durch ihren immer wiederkehrenden Charakter auch Halt im Leben geben, zur Entschleunigung beitragen und schließlich das Wohlbefinden steigern.

Apropos Cover. Die Schallplatten haben zudem auch den großen Vorteil, dass die Coverkunst allein aufgrund der Größe viel besser zur Geltung kommt und eben nicht als kurze aufblinkende Illustration auf dem digitalen Endgerät schnell wieder in Vergessenheit gerät. Es ist eben kein Zufall, dass auch weltbekannte Künstler wie Warhol Plattencover gestaltet haben, dass sich Bildbände über herausragende Plattencover großer Beliebtheit erfreuen und dass sich einige von uns die Cover einrahmen und aufhängen.

Darüber hinaus zerstört das Streaming vor allem durch das um sich greifende Playlistunwesen den Sinn für das Gesamtkunstwerk „Album“, da wie aus einem Steinbruch die vermeintlich besten Songs herausgebrochen und mit den Tracks anderer in einen neuen Kontext gestellt werden. Damit geht ganz viel verloren, denn Jahrhundertalben wie „Disintegration“ von THE CURE, „The Dreadful Hours“ von MY DYING BRIDE, „Shades Of God“ von PARADISE LOST leben nun einmal von der einzigartigen Zusammenstellung und Reihenfolge der Lieder.

Sven Niemeyer

Ich bin nie der große Plattensammler gewesen. Dafür war ich immer viel zu picky mit der Musik, die ich gehört hab, außerdem fehlte mir in der Jugend schlicht das Geld, um mir alle Alben, die ich auf dem Radar hatte, zuzulegen. Das hatte allerdings den Effekt, und bei dem Gedanken bin ich schon ein wenig romantisch, das ich stundenlang beim örtlichen Plattengeschäft CDs durchgehört habe, welche es denn  werden soll. Diese CD, sogfältig ausgesucht, da komplett im Laden erlebt, war dann auch lange Zeit mein Schatz, bis das Ritual wiederholt wurde und eine neue Errungenschaft dazu kam.

Als ich dann das erste Auto hatte, hatte ich ein sehr ähnliches Ritual. Welche meiner CDs war wichtig genug, mich auf meiner langen Fahrt in den Italienurlaub zu begleiten und welche schafft es nicht in den 30 CD starken Ordner, das waren sehr schwierige Stunden der Vorbereitung.

Diese Erfahrung gibt es jetzt so nicht mehr. Zum einen sind die Plattenläden verschwunden (Platten- Schulte in Alfeld, in meiner Jugend bestes Geschäft der Welt), zum anderen haben Streamingdienste den Gang unnötig gemacht. Und bei aller Romantik und natürlich berechtigter Kritik, ich finde es nicht nur schlecht. Das liegt aber an meinem Konsumverhalten, was ich aus meiner Jugend noch retten konnte. Musik ist und war für mich nie etwas, das ich wie eine Serie in neudeutsch „gebinged“ hab. Ich skippe mich trotz Spotify und Co. nicht einfach durch ein Album und picke mir meine Lieblingssongs raus, sondern höre es ein paarmal durch. Das Album mag mir dann zwar am Ende nicht gefallen, aber zumindest hab ich den Respekt dem Künstler gegenüber und höre es mir von vorn bis hinten an.

Wäre Spotify nicht, hätte ich viele Bands wahrscheinlich auch nie entdeckt. Newcomer, die einfach in der Flut an Neuveröffentlichungen untergehen, „kleine“ Bands, die neben großen Namen kaum Platz zum Scheinen haben wie zum Beispiel die großartigen Bloodywood, die mit ihrem Debütalbum im letzten Jahr erschienen sind, die bewusst auf ein Label verzichten, aber dafür in Kauf nehmen, einfach kaum beworben zu werden. Hätte ich deren CD damals überhaupt in die Hand genommen? Eher nicht.

Nichtsdestotrotz gibt es beim Streaming Schattenseiten. Zum einen wäre das unfaire Bezahlmodell für Künstler. Während große Acts kaum schlechter stehen, da sie millionenfach geklickt werden, fällt für die Kleinen kaum etwas ab. Zum anderen fehlt natürlich das komplette Erleben in Form von Booklets, Artworks, der Haptik, einfach dem alle Sinne ansprechenden Erleben.

Ich für meinen Teil mag den Gedanken, meine Lieblingsmusik immer bei mir zu haben, was ich nicht mag, und dem gibt Streaming massiv Vorschub, ist der Umstand, das Musik zu einer Ware verkommt, die kurz weg konsumiert wird, aber nur die besten Teile bitte, und danach interessiert sie nicht mehr wie der vor drei Wochen abgelaufene Joghurt im Kühlschrank. Aber das ist ein Problem in unserer heutigen Wegwerfgesellschaft. Durch die unbegrenzte Verfügbarkeit und dem geringen Aufwand fehlt Einigen einfach die Wertschätzung der vielen großartigen, kleinen wie großen Bands gegenüber.

Justus Meineke

Jedes Jahr gegen Ende November kommt auf Spotify der Jahresrückblick raus. Dieses Jahr sind meine gestreamten Minuten im Jahr von 45.000 auf 33.000 Minuten zurückgegangen, da ich im neuen Job endlich mal genug zu tun hatte. Wenn ich jetzt noch Musikzeiten auf beispielsweise Youtube hinzurechne, ist bei mir recht eindeutig, wie ich mir den Zugang zu meinem Musikerlebnis verschaffe. Zuhause ist die Suche nach physischen Tonträgern vergeblich, da ich auch nicht mal die Möglichkeit hätte diese abzuspielen. CD/DVD Fächer am PC fehlen, Plattenspieler habe ich nie besessen und Musikanlagen sind nur in Form einer Bluetoothbox vorhanden. Ich bin ein Kind der Modernen. Angefangen mit MP3 Playern ging es anschließend direkt zum Smartphone und Streamingdiensten. Hier habe ich den eindeutigen Vorteil des quasi unbegrenzten Angebots, welches es mir erlaubt meine penibel kuratierten Playlisten zu führen, um in jeder Situation die passende musikalische Unterstützung zu haben. In einem Moment kann ich die pure Brutalität von „Distant – Argent Justice“ genießen, anschließend ein bisschen emotionale Nostalgie mit „Linkin Park – Breaking the Habit“ zu lauschen um anschließend ein bisschen Ruhe und Ausgleich mit Drum and Bass von „Rameses B“ zu fröhnen. Oder ich lasse das „Pain Remains“ Album von Lorna Shore auf Dauerschleife laufen und freue mich meines Lebens.

Thorsten Zwingelberg

Eric ist am Ende seiner lesenswerten Kolumne ein kleiner Schreibfehler unterlaufen. Natürlich meinte er „Never Neverland“ von Annihilator, als er vom besten Album aller Zeiten sprach. Schwamm drüber. Denn klar ist, dass Jeff Waters auf einem Stream des Albums nicht mit goldenem Stift „The Best“ neben seine Signatur hätte schreiben können. Auf das Pappcover der LP schon. Dies wäre noch ein weiterer Vorteil des großformatigen Vinyls.
Nun muss ich aber auch zugeben, dass ich im Alltag kaum Zeit habe, um mich lasziv vor dem Plattenspieler zu rekeln, um meinen neuesten Kauf zu genießen. Die meistgespielte Scheibe in den letzten Monaten war „Ein Heller und ein Batzen – Fröhliche Marschlieder“ und „Das Lied der Schlümpfe“ als 7“, da mein dreijähriger Sohn das Vinyl für sich entdeckt hat. Grundsätzlich gebe ich Eric aber Recht: Um Musik wirklich wahrzunehmen und zu genießen, bieten die analogen Medien wesentlich mehr Potential als digitale Versionen. Und übrigens dürfte auch der in den sozialen Medien so beliebte Akt des „Unboxing“ mit einem Stream schwer werden.
Die optischen Vorzüge hat der Kollege Lison bereits richtig beschrieben. Hinzuzufügen wäre da aus meiner Sicht das Format der Picture-LP oder der Shapes. Kollege Trillmich mag es lieber schlicht und schwarz, ich hingegen bin mit Farben und Formen leicht zum Kauf zu bewegen. Na gut, dann muss es eben auch noch die nur in den USA erhältliche fünfte Farbe der Blind Guardian Re-Releases sein.
Was mich allerdings auch zum Thema Nachhaltigkeit bringt. Besonders ökologisch ist so eine LP ja nun nicht gerade. Allerdings gibt es mittlerweile auch erste Gehversuche in Sachen Öko-Vinyl. So hat beispielsweise Optimal Media vor einigen Jahren LPs aus Recycling-PVC und Cover aus zertifiziertem Papier hergestellt. Für mich eine schöne Sache, die allerdings meines Wissens nach bisher wenig Verbreitung gefunden hat. Wahrscheinlich würde eine solche Öko-LP heutzutage dann gleich für 100€ angeboten. Wäre für mich trotzdem nachvollziehbarer als die unverschämten Preise der zahlreichen Re-Releases, die ja auch nur recycelte Musik auf herkömmlichem Vinyl anbieten. Ebenso schade ist, dass der neue Run auf Vinyl dazu geführt hat, dass auch im Second-Hand Bereich kaum noch Schnapper zu machen sind. Zumal jeder Verkäufer im Internet irgendwelche Fantasie-Preise für seine Schätzchen findet und dann noch 10€ draufschlägt. Früher hab ich mir im Laden immer mal einige LPs für kleines Geld mitgenommen, wenn mir Logo, Bandfoto oder Cover vielversprechend aussahen. Die Zeiten sind eigentlich vorbei – vielleicht mit Ausnahme von Super Sonic Records in Lüneburg, wo man durchaus auch noch Second-Hand Vinyl für ein paar Euros findet.
Nun muss ich auch gestehen, dass ich nicht zu den audiophilen Nerds gehöre, die beim Genuss einer LP vor Freude jauchzen und denen sich bei einem mp3 der Magen umdreht. Zwar attestierte mir der Ohrenarzt jüngst beste Hörfähigkeit, aber einen riesigen Unterschied höre ich in meinem Musikalltag nicht. Zumal es meist nur für die Hintergrundbeschallung reicht und da sind die digitalen Medien einfach praktischer als eine 12“ LP, vor allem wenn diese im momentan beliebten Doppel-LP-Format erscheinen und man alle 5 Minuten die Platte umdrehen muss. Das gilt übrigens auch für Hörspiele. Einen Plattenspieler mit der neuesten Drei Fragezeichen Folge mit ins Bett zunehmen, ist weder sehr praktisch, noch besonders romantisch.
Und wer nun immer noch unentschlossen ist, der sollte sich mal in einer ruhigen Minute „Melodien für Melonen“ von Dritte Wahl anhören. Ohne die LP funktioniert der Text einfach nicht und entsprechend ratlos dürfte die Spotify-Generation über die Textzeile „Und wenn du eine Pladde hast, musst du sie jetzt umdrehen“ nachgrübeln.
Lange Rede, kurzer Sinn: In hektischen, virtuellen Zeiten bieten Vinyl, MCs (im Falle von Hörspielen) oder meinetwegen auch CDs Gelegenheit zum Entschleunigen und greifbarem Erleben. Die digitalen Versionen möchte man aus praktischen Erwägungen dennoch nicht missen. Bleibt also der Wunsch, dass man bei LP-Veröffentlichungen wieder dazu übergeht, einen Download-Code beizufügen.

Martin Thiem

Inhaltlich: Ich besitze noch eine übersichtliche Anzahl an Schallplatten, bin aber, als sich die CD durchsetzte, sowohl von Kassette als auch Platte auf CD umgestiegen. Ich kaufe mir immernoch überwiegend CD: Artwork und Booklet gehören für mich immernoch zum Gesamtkunstwerk einer Musikveröffentlichung.
Der Konsum findet jedoch statt im Format mp3, jede gekaufte CD wird als mp3 Kopie konserviert und auf Mobiltelephon übertragen (oder SD, um sie im Privatwagen abzuspielen).
Es wird gerade als sei Vinyl wieder der heiße Scheiß, jeder, der etwas auf sich hält, lässt wieder auch Platten pressen (in exklusiven Farben...).
Was die Darstellung von der Musik angeht, hatte ich mal die Möglichkeit ein Peter Gabriel Live-Album sowohl als Schallplatte wie auch als CD im selben Raum über die selbe Anlage zu hören.
Subjektiv klang die Platte voluminöser und lebendiger. Psychoakustik. Denn auf CD können viel mehr Informationen abgelegt werden.
"Ah, aber da ist eine höhere Komprimierung." Jaja.

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