The Great Sea im Interview
Am 25. April 2025 war das Warten zu Ende und The Great Seas Debütalbum wurde über AOP Records veröffentlicht. Auch das Twilight Magazin [TM] hatte Gelegenheit zur Bemusterung des Werks Noble Art Of Desolation und war sehr angetan. Die Spannung bis zum Album ist durch die beiden Hauptakteure Stefan Hackländer [SH] und Janosch Rathmer [JR] ordentlich aufgebaut worden über ihre Social Media Plattformen. Die zum Beispiel bei YouTube verfügbar gemachten Auskopplungen No Peace Among Men und Upright In Nothing waren musikalisch und optisch sehr ansprechend. Nun ist das Album ein paar Tage draußen, so dass wir uns freuen, mit Stefan und Janosch sprechen zu können.
TM: Danke, dass Ihr beiden Euch Zeit genommen habt für das Interview mit uns. Grob möchte ich für die Leserschaft des Twilight Magazins ein paar Themenfelder bestreichen, als da wären Eure ersten Eindrücke zur Resonanz, Stilfestlegung und Kompositionsprozess, Einflüsse von Gastmusikern, etwaige Einflüsse Eurer Hauptbands und am Schluss Auftritte. Beginnen wir also. Wie empfindet Ihr die Resonanz auf das Album bislang? Aus welchen Lagern kommen Fürsprecher, wer äußert Ablehung - wenn es die denn überhaupt gibt?
SH: Bisher ist die Resonanz äußerst positiv. Besonders freut mich das Feedback von einigen Musikern, die ich sehr schätze.
JR: Im Vorfeld sollte man natürlich frei von Erwartungen an eine Platte rangehen, aber natürlich merken wir, dass auch anderen Leuten etwas an der Musik, die wir aufgenommen haben, liegt. Das ist dann ein gutes Gefühl.
TM: Absolut! Die Entscheidung gemeinsam Musik zu machen (und aufzunehmen) fiel nach empfohlenem Reinhören in das Debüt der Band Gràb. Wie oder zu welchem Zeitpunkt erfolgte die Stilfestlegung? Schon vorher? Oder mit den ersten Entwürfen?
SH: Es war von der ersten Sekunde an klar, was wir da machen wollen. Darüber gab es nicht mal annähernd eine Diskussion.
JR: Es war vor allem ein sehr natürlicher Prozess. Wir haben angefangen zu schreiben und das Ergebnis liegt jetzt vor. Es war ein Verständigung ohne Worte!
TM: Selbst bei einer überschaubaren Menge an zwei Akteuren ist eine solche schnelle Festlegung nicht selbstverständlich. Wie habt Ihr denn komponiert? Das historische Proberaumjammen ist ja nicht mehr notwendig. Was war das Leitinstrument?
SH: Bis auf einen Song haben wir die Stücke zu Hause komponiert. Nur der Opener entstand komplett im Studio, aber das haben wir auch so geplant. Natürlich entwickele ich die meisten Kompositionen auf der Gitarre, aber ich benutze auch oft Tasteninstrumente, um einer Melodie näher zu kommen.
JR: Ich habe alle Songs auf der Gitarre geschrieben und die Drums zunächst programmiert. Dann bin ich mit den Gitarrenspuren in mein Studio gefahren und habe die Drums ausgearbeitet und dann aufgenommen. Viele der Keyboards sind erst im Studio dazu gekommen.
TM: Mit Gitarre oder Tasteninstrument hatte ich tatsächlich gerechnet. Wie gestaltete sich der Einfluss der beteiligten Mitmusiker, vor allen Dingen der Sänger, auf das Material (Text und Musik)?
SH: Einfluss hatten sie als Person keinen, aber ich würde schon sagen, dass die jeweiligen Stücke so geschrieben wurden, dass sie zum Sänger passen. Den Text für Phlipp „sG“ Jonas, habe ich ihm ebenfalls auf den Leib geschrieben. Das war eine ziemlich spannende Aufgabe.
JR: Bei dem Song mit Azathoth war es ähnlich. Der Text passt finde ich sehr gut zu ihm. Auch als ich den Song geschrieben habe, hatte ich schon seine Stimme im Kopf. Vieles bei dieser Platte war glückliche Fügung.
TM: Wenn man den Sängern die Kompositionen wahrlich auf den Leib schneidert, sollten sie auch nichts zu mäkeln haben. Für die nächste Frage hole ich weiter aus. Eine andere aus Deutschland stammende Formation in beinahe selber Stilistik generiert seit einiger Zeit medial den ein oder anderen Klick und schafft es, live schon mal mehr als Tausend Gäste zu einem Auftritt zu mobilisieren. Die Ohren scheinen also für Black Metal empfänglicher geworden zu sein als früher, wo dieser Stil durchaus das Schmuddelkind der Metalspielarten war durch tatsächliche Gewalt, ausgetragenen Judenhass oder generell Hass gegen theistische Frömmigkeit und ihre geweihten Orte. Die einleitend skizzierte Formation könnte man durch das Gesamtpaket als Vertreter des kanonischen Prunks mit viel Tamtam überzeichnen, während Ihr als The Great Sea mit der Abwandlung des reformatorischen Grundsatzes sola scriptura zu sola musica charakterisiert werden könntet. Plakative Bilder auf der einen, Raum für eigene Affirmationen auf der anderen Seite. Black Metal mit Meditation in Bezug zu setzen, erscheint sicher gewagt. Eure Songs verleiten dazu, losgelöst vom Text, aber natürlich auch beinflusst durch die Töne der Stimme und deren Stimmung, sich selber Bilder vor dem geistigen Auge zu zeichnen. Den an anderen Stellen bereits hergestellten Bezug zu Norwegen greife ich auf: Fjorde sind zum Beispiel Orte des Extrems mit der sichtbaren Erhabenheit der Felsmassive und der zunehmenden Dunkelheit. Wenn man oben auf der Spitze steht, hat man im Ideal eine hervorragende Übersicht über das Sichtbare. Die Wasseroberfläche wird zur Grenzschicht, die mal spiegelglatt und ruhig ist oder rauh und wild. Und darunter ist die dunkle, kalte Tiefe (und irgendwann auch die Talsohle der umsäumenden Felsformationen am Grund). Bei der Musik kriegt man dann auch das Bild wettergegerbter Wikinger in den Sinn, auf Wasser, in den den Wäldern, auf den Höhen. Und nun zur Frage: Welchen Einfluss auf diese affirmative Wirkung seht Ihr darin aus Euren instrumentalen Hauptbands kommend?
SH: Ich weiß ehrlich nicht so genau von welcher Formation Du da sprichst. Was Deine Frage angeht, haben Ordeal & Plight absolut nichts mit The Great Sea zu tun. Das sind einfach zwei andere Welten und ich fände es auch seltsam zwei Bands zu haben, die sich ähneln. Das passiert höchsten bei technischen Prozessen. Man lernt etwas bei der einen Band kann das dann bei der anderen Band auch nutzen.
JR: Wir beschäftigen uns in Bezug auf TGS nicht mit anderen Bands. Natürlich haben wir unsere Einflüsse, aber um aktuelle Trends kümmern wir uns nicht. Bzgl. meiner anderen Bands kann ich nur sagen, dass mich natürlich jede musikalische Erfahrung als Musiker prägt und voran bringt. Hätte ich die TGS Platte vor 20 Jahren geschrieben, würde sie sicher anders klingen, obwohl die Einflüsse die selben gewesen wären. Ich hoffe das macht Sinn so?! Aber direkt haben LDC hier gar keinen Einfluss. Es ist einfach andere Musik, mit anderen Protagonisten.
TM: Das Argument ist nachvollziehbar, dass The Great Sea unabhängig von den eigenen Hauptbands ist. Und es ist logisch, dass natürlich die musikalische Erfahrung als Musiker nicht ausgeblendet werden kann. Kommen wir zum abschließenden Themenbereich: Auftritte von The Great Sea. Was mich freut, ist die Absicht, das Material live aufzuführen. Ein Liveauftritt erfordert, wenn man nicht auf Samples zurückgreifen will, zusätzliche Livemusiker. Es ist davon auszugehen, dass Du, Stefan, Gitarre spielen werden wirst, während Du, Janosch, am Schlagzeug sitzen wirst. Was stellt Ihr Euch noch vor als Umfang und Mitmusiker? Ist für den Sängerposten A. die erste Wahl, weil er auf dem Album schon am meisten mitwirkte?
SH: Deine Vermutungen stimmen größtenteils, aber wir werden mit einem anderen Sänger auftreten und dies auch in naher Zukunft bekannt geben. Natürlich brauchen wir noch weitere Saiteninstrumente, um unsere Platte angemessen live umzusetzen. Das ist alles schon im Gange.
JR: Hier hat SH im Prinzip alles gesagt. Ich bin schon sehr gespannt. Fakt ist, dass wir der Platte auch live gerecht werden wollen. Es muss Sinn ergeben und man muss das Gefühl haben, dass wir als Musiker ales auf der Bühne geben. Oftmals funktioniert Black Metal live nicht. Das wollen wir ändern.
TM: Es ist also alles schön im Fluss. Könnt Ihr schon absehen, wann mit Auftritten zu rechnen? Plant Ihr eigene Headliner-Gigs oder Supporter-/Opener-Auftritte? Wird man Euch auf Festivals sehen?
SH: Time will tell.
JR: Ich hoffe, dass wir bald die ersten Gigs ankündigen können.
TM: Dann bleibt nichts anderes, als geduldig zu warten. Nochmals Danke für Eure Zeit für das Gespräch und Eure Antworten. Viel Erfolg für die Vorbereitungen einer Liveumsetzung und natürlich auch für Eure Band selbst mit ihrem Debüt Noble Art Of Desolation.
Phil Jonas - Gesang bei Eden Unfolded