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Everon – Shells


“So here I am/Just a man with his empty hands” – Diese demütigen Zeilen aus meinem EVERON Lieblingssong „…of blue” aus dem Jahr 1995 beschreiben das Schaffen von Oliver Philipps auch heute noch genau.

Auch nach 16 Jahren kreativer Pause fallen EVERON nicht mit der Tür ins Haus, wirken nie aufdringlich, sondern schleichen sich sanft und stets mit einem Hauch Understatement zurück in die Wohnstuben der Prog Rock/Metal Gemeinde.
Das man sich hinter viel gelobten Alben wie der aktuellen DREAM THEATER Scheibe nicht zu verstecken braucht, wird schon beim Opener „No Embrace“ deutlich, bei dem die Band große Melodien, sanfte Klavier-Passagen, kräftige Gitarrenriffs und progressive Arrangements gekonnt zu einem Ohrwurm mit Hit-Potential verwebt.
Für „Pinocchio’s Nose“, welches mit starken keltischen Einflüssen begeistert, die kanadische Singer-Songwriterin LEAH an die Seite geholt. Das Ergebnis kann sich hören lassen, denn der Song wandelt mit faszinierender Sicherheit zwischen den Welten alter JETHRO TULL und BLACKMORE’S NIGHT und fesselt den Hörer mit jeder Note mehr.
Die in Norwegen geborene Helena Iren Michaelsen hat nicht nur bei Bands wie TRAIL OF TEARS, ANGEL oder IMPERIA am Mikro gestanden, sondern ist auch mit Frontmann Oliver Philipps verheiratet. Da lag es nah, dass sie auch bei EVERONs siebten Album mitwirkt. Dabei sind ganz unterschiedliche Songs entstanden, z. B. „Broken Angels“ (für mich der schwächste Song des Albums) oder das heftig proggende, orientalisch angehauchte „Guilty as Charged“, welches mit erstaunlich harten Riffs überrascht. Als Gegenposition schieben EVERON dann das nachdenkliche „Children of the Earth“ hinterher, welches sich am Ende in chorale Sphären emporhebt, um dann in den schnellsten Song des Albums (das Instrumental „OCD“) überzugehen. Wohl dem, der eine solche musikalische Bandbreite mit solch spielerischer Leichtigkeit bedienen kann.
Im kompakten „Until We Meet Again” verarbeitet die Band den überraschenden Tod ihres langjährigen Drummers und Freundes „Moschus“, der völlig unerwartet während der Aufnahmen zu „Shells“ verstorben ist. Das das Album trotzt dieses Schicksalsschlags fertiggestellt wurde, liegt laut Philipps daran, dass „Moschus“ bereits acht Songs fertig eingetrommelt hatte. EVERONs musikalische Umsetzung des bekannten „Carpe Diem“-Mottos.
Das Highlight des Albums stellt für mich „Monsters“ dar, welches nicht nur musikalisch auf ganzer Linie überzeugt. EVERON gelingt es mit diesem Song ein verstörendes Thema in unschuldige, fast liebliche Klänge zu verpacken. Insofern stehen die Feinfühligkeit und Grazie des Musikalischen im krassen Gegensatz zum Text, ebenso wie das Auftreten des „freundlichen älteren Herren“ aus dem Song im krassen Gegensatz zu dessen schrecklichen Taten steht. Besser geht es kaum.
Wie weit kann Musik von gegenwärtigen Trends und Entwicklungen entfernt sein? EVERON stoßen die Tür auf in eine längst vergangene Welt und laden Hörer ein auf eine musikalische Reise in ein ganz eigenes Universum, das sich in den letzten 16 Jahren entwickelt hat. Diese Stimmung wurde im grandiosen Artwork auf dem Cover perfekt eingefangen.
EVERON zu beschreiben fällt schwer, doch wer alte JETHRO TULL, MAGNUM, BLACKMORE’S NIGHT, TEN und DREAM THEATER zu seinen Favoriten zählt, wird mit „Shells“ sehr glücklich werden. Da bleibt nur ein Urteil: Höchstnote!

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