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Open Flair 2011
"Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben!“ Dieses Sprichwort passte dieses Jahr wohl auf alle Spätentschlossenen, die kurz vor knapp noch ein Ticket für das Open Flair in Eschwege erhaschen wollten. Wobei Spätentschlossene eigentlich die falsche Beschreibung ist, schließlich war das Festival sage und schreibe zwei Monate vor Startschuss ausverkauft. Und das, obwohl es mit etwa 20.000 Besuchern das größte Festival war, das Eschwege bis dahin organisiert hatte. Also, wer dieses Jahr kein Ticket mehr bekommen hat, der sollte schnell handeln und sich jetzt schon Karten für 2012 sichern. Vermutlich wird auch das kommende Open Flair, falls es nicht vorhat, sich erheblich zu vergrößern, frühzeitig ausverkauft sein. Bereits zwei Wochen nach Toresschluss 2011 melden die Veranstalter 5500 verkaufte Tickets für 2012. Woran das wohl liegen mag? Ich glaube, ich weiß es! Es liegt an diesem unglaublichen Flair, von dem einfach alle mitgerissen und so schnell nicht wieder losgelassen werden. Das Open Flair ist eines dieser charmanten Festivals, das nicht weit ab von der Zivilisation auf einem abgelegenen Acker ausgetragen wird, sondern das angrenzende Stadtgebiete in einen positiven Ausnahmezustand versetzt. Spielte also gerade mal keine Band, schoben sich Massen von gut gelaunten Feierwütigen friedlich durch die Eschweger Innerstadt. Wer sich erfrischen wollte, und dazu nicht die campingplatzeigenen Duschen nutzen wollte, ging eben einfach ins nahegelegene Hallenbad. Außerdem ließen die vier Bühnen keine Zeit für Langeweile. Während die HR3-, die Frei- und die Seebühne Rockmusik in all ihren Fassetten boten, konnte man im Kleinkunstzelt Lesungen und sonstiger Kultur lauschen. Da ich mit meinen anderen Festivals dieses Jahr wetterbedingt etwas Pech hatte, auf dem Open Flair 2011 dafür aber umso mehr Spaß, erkläre ich es zum geilsten Festival des Sommers 2011. Wollt ihr genauer wissen warum? Dann lest weiter.
Das Open Flair hat den geilsten Campingplatz. Nun gut, eigentlich glich der reguläre Campingplatz denen auf anderen Festivals. Wir sind nur leider so spät angereist, und zwar erst am Samstagnachmittag, dass die mit dem Auto befahrbaren Campingplätze bereits komplett ausgelastet waren. Umso besser fanden wir es, dass auf einer nahegelegenen Wiese einfach Dixis aufgestellt wurden, um die herum wir uns neben Bussen und Wohnwagen ansiedeln konnten. Die Unterkunft für die nächste Nacht war schnell eingerichtet, so dass es endlich auf zum Festivalgelände gehen konnte. Aufgrund unserer späten Anreise haben wir leider so geile Bands wie Royal Republic, The Busters, Montreal, Breed 77, Donots und Die Fantastischen Vier verpasst. Ich bin mir allerdings sicher, dass sie allesamt die Meute zum Brodeln gebracht haben.
Samstag, 13.08.2011
Besser spät als nie trafen wir zu den Dropkick Murphys, also zu einer der geilsten irisch-amerikanischen Folk-Punk-Bands, ein. Bei einem Irish-Folk beladenen Song wie „I’m Shipping Up To Boston“ ist man fast gewillt, den Amis bis nach Boston zu folgen. Dudelsack und Co. machen ohnehin schon gute Laute, gesellt sich dann noch etwas Punk und Hardcore dazu, kann nur eine explosive Mischung entstehen. Schnell nochmal ein wenig flüssige Nahrung besorgt und dann ab in die tanzende Meute. Die Dropkick Murphys eigneten sich fantastisch zum warm werden und sie waren unser Sprungbrett in ein ausgelassenes Wochenende.
Weiter ging es mit den H-Blockx, die sich als Band herausstellte, die am geilsten mitriss. Die deutsche Crossover-Band hatte sichtlich Spaß an dem was sie auf der Bühne tat und dieser Funke Feierlust sprang sogleich aufs heraneilende Partyvolk über. Die Münsteraner ließen sich, so wie es für Crossover typisch ist, einiges an Animation einfallen. Natürlich hatten H-Blockx ein obligatorisches Crowdsurfer-Fortbewegungsmittel, und zwar ein Schlauchboot, im Gepäck. An diesem Abend nutzten sie es jedoch nicht zum Surfen selbst, sondern um Pfandbecher für die Trinkwasserinitiative Viva con Agua zu sammeln. Zu „Move“ hatte man sich das schöne „Hinhocken-und-bei-4-Jedermann-Aufspringen-Spiel“ überlegt, was fröhlich angenommen wurde. Bei „My Little Girl“ erhaschten die Münsteraner die Herzen der Mädels nicht nur, weil das Lied so schön ist, sondern weil Sänger Henning Wehland alle Jungs im Publikum dazu aufforderte, „ihre Mädels“ für den Song auf die Schultern zu nehmen. Nach einem ruhigen Stück folgte mit „Ring on Fire“ sogleich ein kräftiger Wachmacher. Und was passiert zu diesem Song? Natürlich ein Circle Pit! Der H-Blockx Gig war für uns eine frühe Glanznummer, die auf so viel mehr Lust machte. Also ging es von Crossover beflügelt nach einem kurzen Zwischenstopp an der Hauptbühne weiter zur Seebühne zu Bonaparte.
Auf der Hauptbühne spielten nämlich gerade Iggy & The Stoges. Iggy Pop ist ja schon eine Größe, die man sich zumindest kurz angesehen haben sollte, wenn sich die Gelegenheit dazu schon so anbietet. Allerdings war der Auftritt schon etwas skurril. Der ziemlich ausgemergelte, körperlich sehr angeschlagen wirkende Iggy lief so gut es ging über die Bühne und versammelte eine Schar tanzender junger Männer um sich. Zwei Lieder reichten aus, um einen Eindruck von Iggy & The Stoges zu bekommen, so dass wir ruhigen Gewissens weiter zur Seebühne marschieren konnten.
Der Geheimtipp Bonaparte entpuppte sich als wahrer Partyschatz! Die Combo mit Dance-Polka-Elekro-Sound bot dank gut ausgetüftelter, einfallsreicher Verkleidungen die geilste Bühnenshow des gesamten Festivals. Da einem auf der Bühne im futuristischen Stil immer was fürs Auge geboten wurde, wurde es bei diesem Auftritt niemals langweilig. Bonaparte war ein weiteres absolutes Highlight und ich kann nur jedem wärmstens empfehlen, sich die Band einmal live anzusehen. Vorausgesetzt natürlich, man kommt mit dem leichten Elektroeinschlag zurecht.
Seelig und von Bonaparte geflasht ging es zurück Richtung Freibühne, wo uns schon Boppin’B erwarteten. Die alten Hasen des Swing, Rockabilly und Punk wissen wie sie ihre Zuschauer begeistern können. Sei es nun rein musikalisch durch ihren 50er Jahre Elvis-Style, der jeden zumindest mitschunkeln, wenn nicht sogar ausgelassen mittanzen lässt, oder sei es durch das legendäre Erklettern des Kontrabasses. Didi beeindruckt mich immer wieder mit dem Stunt auf seinem ihm anscheinend sehr vertrauten Musikinstrument. Nach einer ganzen Weile sehr geilem Rockabilly packten auch die Aschaffenburger ihrer Musikinstrumente beiseite und auf den Bühnen des Open Flairs erloschen für diesen Abend die Lichter.
Sonntag, 14.08.2011
Den Sonntag begannen wir mit einem ausgedehnten Frühstück, zu dem es dank mobilem Bäcker sogar frische Brötchen und Donuts gab. Nach einem kurzen, netten Pläuschchen mit den Nachbarn machten wir uns zu Fiddler‘s Green auf.Es ist zwar nicht sehr freundlich, wenn man von der Folk-Rock-Band aus Erlangen mit einem lauten „Bugger Off“ begrüßt wird, aber letztlich will dieser Irish Drinking Song ja auch nur zu einem Bierchen animieren. Mit dergleichen alkoholischen Erfrischung bewaffnet, stimmten wir gut gelaunt in „Bugger Off“ und „Fuck you“ ein. Mit Irish-Folk lässt sich so ein Festivalsonntag wahrlich gut beginnen.
Nach dieser geballten Ladung Guter-Laune-Musik schlenderten wir weiter in Richtung HR3-Bühne, wo uns bereits Monsters of Liedermaching erwarteten. Das Sextett hat am Open Flair Wochenende mit Sicherheit den geilsten Quatsch auf der Bühne fabriziert. Ob sie nun mit vorgetäuscht kurzen Beinen auf Schuhen kniend gemeinsam im Takt schaukelten oder sich die Sieben Zwerge als Verstärkung auf die Bühne holten, wer Musik mit einem schmunzeln auf den Lippen sehen wollte, der war bei den Monsters of Liedermaching genau richtig.
Wir trennten uns jedoch nach kurzem von den Deutschmusikern, um uns nun endlich einmal ein wenig näher auf dem weitläufigen Festivalgelände umzuschauen. Neben den gewöhnlichen Essbuden waren ebenfalls einige Stände mit Kleinkunst oder Merchandise vertreten. Für die jüngsten Festivalbesucher, und damit meine ich keine Jugendlichen sondern Kinder, wurde ein Fußballfeld zu einer großen Spielwiese umfunktioniert. Dort konnten sich Kinder schminken lassen, sich aus großen Plastikröhren ihr ganz eigenes Wassersystem zusammenstellen oder an einer großen Kletterwand zeigen, wie schwindelfrei sie waren. Damit war klar, dass das Open Flair ein Festival für die ganze Familie ist, bei dem man sogar die Kinder gut aufgehoben wusste.
Von dieser Vielfalt beeindruckt ging es - noch immer auf Entdeckertour – an der Freibühne vorbei, wo Das Pack gerade das am geilsten interpretierte Slayer-Cover zum Besten gab.
Mit dem Auftritt von Good Charlotte widmeten wir uns nun wieder gänzlich der Musik. Zum Auftritt der düster anmutenden US-amerikanischen Pop-Punk-Rocker war es vor der Hauptbühne schon reichlich voll geworden. Ganz in Schwarz gekleidet, mit dunklen Sonnenbrillen bestückt und kultig tätowiert kriegen Good Charlotte von mir eindeutig den Preis für den geilsten Style. Natürlich überzeugten die Amis nicht nur durch ihre Coolness sondern ebenso durch ihre musikalischen Fähigkeiten. Mit Songs wie „Let The Musik Play“ oder „Girls & Boys“ wurde bereits am Nachmittag für viel gute Laune gesorgt.
Als nächstes stand Bullet For My Valentine auf dem Programm. Die walisische Metalband nahm im Festivalsommer 2011 scheinbar alles mit was sie bekommen konnte. Ich zumindest hatte sie bereits auf dem WFF und auf dem Serengeti gesehen, weswegen ich dem vorerst letzten Auftritt der Jungs in Europa eher gelassen entgegenblickte. Ähnlich wie auf den anderen Festivals überzeugten B4MV mit einem soliden musikalischen Auftritt ohne viel Schnörkel drum herum. Den Ohrwurm „Tears Don’t Fall“ höre ich mir noch immer gerne an und auch das Metallica-Cover „Creeping Death“ konnte sich sehen bzw. hören lassen. Den zahlreichen Anwesenden vor der Bühne schien der Auftritt zu gefallen und das ist ja letztlich die Hauptsache.
Nach B4MV ging es Schlag auf Schlag mit Boy Hits Car weiter. Die Alternative-Rocker konnten mit ihrer Musik absolut überzeugen. Vor allem der Energie geladene Frontmann Craig Rondell steckte mit seiner flippigen Art und Weise auf der Bühne hin und her zu tanzen so dermaßen an, dass auch vor der Bühne kaum jemand still stehen bleiben konnte. Wenn Boy Hits Car auch nicht die berühmteste Band ist, für mich sind sie auf jeden Fall der geilste Geheimtipp, solange man auf Alternative und ausgeflippte Menschen steht.
So langsam neigte sich der Tag dem Ende zu und mehrere Tausend Festivalgänger fieberten den Headlinern des Sonntags entgegen. Mit Rise Against hatte das Open Flair wahrlich einen großen Fisch an Land gezogen.
Der Platz vor der HR3-Bühne war komplett gefüllt und so wartete man, dicht an dicht gedrängt, sehnsüchtig auf die US-amerikanischen Punk-Rocker. Das Quartett um Sänger Tim McIlrath hatte 1,5 Stunden Zeit um musikalisch durch ihre Bandhistorie zu führen und uns natürlich auch Songs von ihrem jüngsten Album „Endgame“ zu präsentieren. Ohne Frage haben es Rise Against längst und ganz verdient bis an die Spitze geschafft. Dementsprechend wurde auf dem Open Flair so gut wie jeder Song begeistert gefeiert. Schön anzusehen waren auch die Securities, die eigentlich im Fotograben platziert waren, um Crowdsurfer in Empfang zu nehmen. Jedoch selbst vom Rise Against Virus infiziert, konnte ein Teil der Securities nicht inne halten und stürzte sich selbst wagemutig – gegen den Strom wohlgemerkt – als Crowdsurfer in die Wogen. Ganz klar, Rise Against waren der krönende Abschluss eines absolut gelungenen Festivals. Zwar spielten nach den Punk-Rockern noch The Sounds und Pendulum, für uns hieß es jedoch nun Abschied nehmen und den Heimweg antreten.
Vielleicht hat der ein oder andere aufmerksame Leser bemerkt, dass ich auffallend oft den Ausdruck „geil“ verwendet habe. Das musste ich einfach tun, da nach dem Open Flair 2011 für mich feststand, dass es das GEILSTE Festival der Saison für mich war. Das Open Flair war sehr, sehr früh ausverkauft und ich muss mir im Nachhinein keine Sekunde die Frage stellen, woran das wohl gelegen haben könnte. Das Festival in Eschwege glänzt durch so viel Atmosphäre, lockt mit hochkarätigen Bands, sorgt durch Newcomer für brillante Überraschungen und bietet für Jung und Alt die Möglichkeit zu einem ausgelassenen Wochenende. Das Open Flair hat einfach Flair wie kaum ein anderes Festival.
Kategorie
Headliner
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Line Up
3 Feet Smaller, 5Bugs, Beatpoeten, Bodo Wartke, Bonaparte, Boppin B, Boy Hits Car, Breed 77, Bullet For My Valentine, Clueso And Discostress, Culcha Candela, Das Pack, Die Fantastischen Vier, Disco Ensemble, Donots, Dropkick Murphys, Effi, Egg Bites Chicken, Eli Paperboy Reed, Eläkeläiset, Eure Mütter, Fiddler's Green, Folxpunk, Frank Turner, Good Charlotte, H-Blockx, Helge und das Udo, Henchman, Iggy & The Stooges, Itchy Poopzkid, Jupiter Jones, Killerpilze, Kraftklub, La Vela Puerca, Max Prosa, Midas Inc, Monsters Of Liedermaching, Montreal, Norman Sinn, Pendulum, Radio Havanna, Rise Against, Royal Republic, Samuel Harfst, Schandmaul, Talco, Templeton Pek, The Bosshoss, The Busters, The Fuck Hornisschen Orchestra, The Incredible Herrengedeck, The Locos, The Mighty Stef, The Sounds, The Subways, Transmitter, Untertagen, We Butter The Bread With Butter, Wirtz, Wohnraumhelden