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Ragnarök Festival 2017
| Martin Storf | Ragnarök
Seit nunmehr 14 Jahren kommt der Weltuntergang in schöner Regelmäßigkeit im April über die Lichtenfelser Stadthalle. Aber wie in den nordischen Sagen kommt nach dem Untergang die Wiederauferstehung und das Gelage in Walhalla (für alle, die es verdient haben) und so können auch dieses Jahr wieder zahlreiche Anhänger des Pagan Metal nach Oberfranken pilgern, um sich und die Szene bei Met, Bier und Gesang zu feiern.
Gefühlt waren dieses Jahr allerdings weniger Menschen auf dem Festivalgelände als in den letzten Jahren, was möglicherweise auch an der eigentlich schon fast erwartbaren Absage von MENHIR (diesmal war es „Erkrankung“) als Co-Headliner lag, möglicherweise aber auch am eher bescheidenen und saukalten Wetter, das wohl einige vom Zelten abgehalten hat. Das sind eben die Nachteile des frühen Termins.
Nichtsdestotrotz haben sich am Samstag spätestens zu MALLEVS MALEFICARVM schon einige hunderte Frühaufsteher im frühen Nachmittag vor einer der beiden nebeneinanderstehenden Bühnen eingefunden, um sich den Kater und die Kälte aus den müden Gliedern zu schütteln. Da mir und zahlreichen anderen Anwesenden die Band noch nicht bekannt war, erwartete ich Aufgrund des Namens ein Auftritt mit zahlreichen mittelalterlich anmutenden Instrument und wurde so positiv überrascht, dass der Fünfer im klassischen Metal-Gewand auf den Brettern stand und ohne viele Sperenzchen ordentlich nach vorne rockte. Gekonnt wechselte die Band zwischen schnelleren und Midtempo-Stücken, ohne dabei Gitarrenarbeit und Growlgesang zu vernachlässigen.
SEAR BLISS haben seit Mitte der Neunziger schon einige Alben rausgehauen, deren Inhalt sie in ihrem 30-minütigen Set souverän unters Volk brachten. Blickfänger der Ungarn war dabei Posaunist Róbert Pintér, der für die melodiösen Zwischentöne sorgte, ansonsten aber recht unbeschäftigt blieb. Dabei ist es der Truppe hoch anzurechnen, dass sie nicht einfach Einspieler vom Band verwendet haben, auch wenn die Abwechslung mit nur einem Instrument und der immer recht ähnlichen Melodieführung etwas fehlte.
Mit ASENBLUT stand dann ein paar alte Ragnarök-Bekannte auf der Nachbarbühne, die mit deutschen Gesang und zahlreichen Referenzen an die nordische Sagenwelt ihre Sache sehr ernst nahmen. Als kleiner Wehrmutstropfen kam der Bass vom Band, was aber ansonsten nicht weiter auffiel. Dem Publikum gefiel’s und es gröhlte begeistert mit („Asenblut gerinnt nicht“). Frontmann Tetzel zog spätestens mit nacktem Oberkörper alle Blicke auf sich und während er die Brustmuskeln spielen ließ, behielt der Rest der Band die T-Shirts lieber an.
Eine deutsche Pagan Metal-Band der ersten Stunde, nämlich BLACK MESSIAH, machte sich dann daran, ein Best-Of ihrer 25jährigen Bandgeschichte anzupreisen. Ihre rauhe Version des Folk Metal ist tief verwurzelt im Old-School-Black Metal, doch auch thrashige Elemente sucht man nicht vergebens. Nichts für weiche Gemüter.
Danach war PILLORIAN an der Reihe. Die Kanadier, die aus der Asche von AGALLOCH entstanden, sind die bisher ruhigste Band des Tages und konzentrieren sich auf das Material ihres soeben erschienenen Debütalbums „Obsidian Arc“ mit vielen Akustikteilen.
Um halb sechs dürfen dann AGRYPNIE noch bisher unveröffentlichte Stücke ihres demnächst erscheinenden Albums präsentieren. Dabei ist es fast schon Normalität, dass Gastmusiker auf die Bühne geladen werden. Diesmal traf es Eviga, seines Zeichens Sänger und Mastermind von DORNENREICH, der für den neuen Track „Aus Zeit erhebt sich Ewigkeit“ zum Duett mit Shouter Thorsten antrat. Und der gewisperte Gesang passte ausgezeichnet zu den brachialen Gitarrenwänden der neuen AGRYPNIE-Produktion bei dieser Premiere.
OBSCURITY feierten danach ausgiebig sich und das Bergische Land. Die „vom Wasser der Wupper gehärtete“ Band unterhielt mit ihrer Pagan Metal-Variante das Publikum prächtig, das sich auch ihrerseits als sehr textsicher präsentierte.
Auch HELRUNAR lieferten einen soliden Auftritt. Die Münsteraner verstehen ihren Pagan Metal jedoch um einiges ernsthafter und schwarzmetallischer als der Großteil der Festival-Kollegen, sodass nicht nur bei Songs vom letzte Album „Niederkunfft“ eine rauhe Eiseskälte von der Bühne in die Halle bläst.
Nun durften DORNENREICH zum zweiten Mal bei diesem Festival auf die Bühne. Nachdem sie am Tag zuvor ein reines Akustikset gespielt haben, war heute die ursprüngliche Metalvariante an der Reihe. Und gerade dieser Gegensatz zwischen den ruhigen, akustischen, verschwörerisch dahingehauchten Passagen mit dezenter Geigen-Instrumentalisierung und den Wutausbrüchen mit krachenden Gitarren und dämonischen Gesang macht für viele den unnachahmlichen DORNENREICH-Sound aus, der bei einem Akustik-Auftritt eben nur zur Hälfte geliefert wird. Diese Abwechslung hält auch das Nicht-Stammpublikum bei der Stange und sorgt für einen souveränen Auftritt.
Den intensiven Zusammenhalt zwischen Band und Menge beschworen dann PRIMORDIAL, die auf ihrer Setlist fast komplett auf Oldschool-Songs verzichteten und lieber Material des letzten Jahrzehnts abfeuerten. Die epischen Gitarrenwände und der breite Sound der Songs, die ohne jegliche Soli auskommen, mit dem teils wütenden, teils hymnischen, Gesang zog die Zuhörer wie eigentlich immer in ihren Bann, sodass die Meisten wohl auf Frontmann Alans immer wieder gestellt Frage „Are you with us?“ mit einem lauten „Fuck, yeah!“ antworten können, auch wenn zahlreiche Song-Klassiker fehlten.
Es ist schon nach 22 Uhr, als die von vielen heiß erwarteten DARK FUNERAL ihren Slot haben. Der Old-School-Black Metal der Schweden ist nichts für zartbesaitetet Gemüter, die mittlerweile aber sowieso schon lange geflüchtet sein dürften. Der knarzende Gesang von Frontmann Heljarmadr geht durch Mark und Bein und die Blastbeat-Attacken der Rhythmusfraktion zielen genau auf die Magengrube, ohne kompositorische Lücken zu bieten, sodass nach einer Stunde die Halle ordentlich durchgeföhnt zurückbleibt.
Bei CRUACHAN als vorletzter Band des Festivals machen dann auch schon viele Besucher schlapp und zollen Schlafmangel und Alkohol ihren Tribut. Zu Unrecht, denn zum einen sieht man die Iren eher selten in Deutschland und zum anderen schafft die Band es schon seit langen Jahren, ihren heimatlichen Folkmetal ohne Albernheits-Atttüde vorzutragen, sodass man ihr ein um einiges höheres Maß an Authentizität bescheinigen kann, als diversen Kollegen der Humppa-Fraktion. Und selbst, dass irgendwann nach der letzten Tour die Sängerin beschlossen hat, eigene Wege zu gehen, und ihr Gesang jetzt auch vom männlichen Kollegen Keith übernommen wird, kann die Band gut kompensieren. Diese Entscheidung kann durchaus als bessere Wahl gelten, als wenn man nun unbedingt nach einem weiblichen Ersatz gesucht hätte. Highlight des Auftritts ist natürlich DIE Bandhymne „Ride on…“, die vom Publikum begeistert aufgenommen wird.
Zum Abschluss wird es nach Mitternacht dann noch einmal melancholisch: Die Ausnahmeband TODTGELICHTER spielt ihr allerletztes Konzert. Was die Hamburger an Kreativität in den 15 Jahren ihres Bestehens gezeigt haben, schaffen anderen Bands in jahrzehntelangen Karrieren nicht.
Die Gruppe hatte nie eine Scheu davor, mit außergewöhnlichen Arrangements und abwechslungsreichem Gesang (mal weiblich, mal männlich) zu experimentieren. Und auch live war der wie immer ganz in weiß gekleidete Sechser über jeden Zweifel erhaben. Und als Sängerin Marta sich zum Abschluss bei allen Bandmitgliedern bedankt, ist die Stimmung nicht nur bei den Leuten, die auf der Bühne stehen, sondern auch bei denen davor, etwas gedrückt.
Das hindert die versprengten Reste dann aber nicht daran, noch die letzten Ragnarök-Biere zu verdrücken, bis die Security zum wiederholten Male dazu auffordert, doch endlich nach Hause zu gehen.
Um im nächsten Jahr natürlich wieder zu kommen.
Kategorie
Headliner
Besucher
Ort
Line Up
Agrypnie, Anomalie, Asenblut, Black Messiah, Cruachan, Dark Funeral, Dornenreich, Ellende, Faeulnis, Fjoergyn, Harakiri for the sky, Helrunar, Insomnium, Kultasiipi, Munarheim, Pillorian, Pimordial, Sear Bliss, Todtgelichter, Voltumna