Das Vereinigte Königreich hat unbestritten eine ganze Reihe hervorragender Hardrockbands hervorgebracht. Eine ganz besonders bemerkenswerte Kapelle veröffentlichte 1990 mit „Backstreet Symphony“ ihr Debut und kletterte sofort die Erfolgsleiter steil herauf.
Vier Alben und neun Jahre später gaben die Briten dann zum Entsetzen vieler Fans ihre Auflösung bekannt. Zwar war das letzte Album „Giving the game away“ kaum mehr mit den ersten Werken der Jungs zu vergleichen, dennoch schmerzte der Verlust.
Doch es dauerte nur etwa zwei Jahre, bis die Band das Angebot bekam, eine Monsters of Rock Show zu spielen und so wanderte 2003 mit „Shooting At The Sun“ auch ein neues – zugegeben nicht wirklich brillantes – Studioalbum in die Läden.
Zwei weitere Alben folgten und nun ist der Fünfer in Europa unterwegs, um das neueste Werk (Robert Johnson’s Tombstone) zu promoten. Ein guter Grund also, um sich die Band beim Gastspiel in Hannover anzusehen und zugleich mit einigen Fragen auf die Pelle zu rücken!
Durch dichten Regen und Schneematsch bahnte ich mir also den Weg zum Capitol, wo ich vom Tourmanager in die Hände von Drummer Harry James übergeben wurde. Von der ganzen Klimaschutzdebatte unberührt, saß der Kesselkünstler vor dem weit aufgerissenen Fenster, unter dem sich ein großer Heizkörper zu tote heizte, und streckte mir freundlich die Hand zur Begrüßung entgegen – um in der nächsten Sekunde schnell nach seiner Benson & Hedges Packung zu greifen.
Die Band hat in der 13jährigen Bandgeschichte mittlerweile acht Studioalben (und unglaubliche 14 Livealben) veröffentlicht. Musikalisch gab es zwar immer einen roten Faden, dennoch waren die Alben doch alle recht unterschiedlich. Mich interessierte nun zunächst, welche Erwartungen usw. Harry mit den Alben verband, wie er sie heute sieht usw.
Backstreet Symphony (1990)
Na ja, dies war unser erstes Album und es war eine sehr aufregende Zeit für uns und für Rockmusik im Allgemeinen. Unter der Leitung von Andy Taylor ist uns ein hervorragendes Debut gelungen und es war sehr schwer ein entsprechendes Nachfolgealbum aufzunehmen.
Laughing On Judgement Day (1992)
Mit Laughing on Judgement Day ist uns meiner Meinung nach ein guter Nachfolger gelungen. Das ist für uns sehr gut gelaufen und wir wurden ein stärkerer Teil der Szene usw.
Behind Closed Doors(1995)
Mit diesem Album haben wir einige Änderungen versucht und wir haben es in Amerika aufgenommen, da dort auch die Plattenfirma (EMI/Geffen) war. Das Album ist sehr gut gelaufen und Dirty Love hätte ein Erfolg in den USA werden können. Es war Nummer 1 bei Dial MTV für einige Wochen. In dem Video waren Pamela Anderson und ich zu sehen, was allerdings eine andere Geschichte ist. Sie liebt offensichtlich Schlagzeuger. Das Album war auf jeden Fall ein weiterer Meilenstein in der Karriere der Band.
The Thrill Of It All (1996)
Welches war gleich unser viertes Album? Ach ja. Zu der Zeit hatten wir keinen Bassisten mehr und Luke hat all die Bassparts übernommen. Die Dinge im Musikgeschäft änderten sich damals langsam.
Giving The Game Away (1999)
Das war das erste Album für Eagle/Castle Rock. Das Album war nicht so erfolgreich, wie die anderen Alben. Dennoch war es auf seine Weise auch ein Erfolg: Just Another Suicide lief gut in den Single Charts. Wir waren also immer noch recht guter Dinge zu der Zeit.
Shooting At The Sun (2003)
Nach Giving The Game Away, gab es viel Druck des Musikbusinesses und wir hatten ein schlechtes Management und wir waren ziemlich ermüdet und beschlossen, uns für eine Weile zu trennen. Nach einiger Zeit kam dann das Angebot zu Monsters Of Rock mit Alice Cooper und wir dachten, dass wir diese Sachen machen müssten. Wir konnten diese Chance einfach nicht verstreichen lassen, da es vielleicht 10 oder 15 Jahre gedauert hätte, bis so eine Möglichkeit noch mal auftaucht – und dann wären wir womöglich zu alt dafür! Es mag einigen Leuten etwas seltsam vorkommen, dass es nur zwei Jahre bis zur Reunion gedauert hat, doch die Leute werden wohl verstehen, dass wir diese Gelegenheit beim Schopfe packen mussten. Wir waren zu der Zeit aber auch alle mit anderen Projekten beschäftigt, ich habe z.B. etwas mit Magnum gearbeitet.
Ihr habt ja auch nach eurem Debut bereits die Chance bekommen, beim Monsters Of Rock zu spielen.
Ja, damals haben wir im Castle Donnington gespielt und es war riesig. Wenn ich heute zurückdenke, kommt es mir vor, als wäre es alles wahnsinnig schnell gegangen: wir waren so jung und alles war so aufregend. Das war phantastisch.
Wie auch immer; nach dieser Sache mit Alice Cooper dachten wir, dass wir auch ein neues Album machen könnten. Es lief sehr gut, aber die letzten beiden Alben übertrafen Shooting At The Sun bei weitem.
The Magnificent Seventh (2005) / Robert Johnson’s Tombstone (2006)
Diese beiden Alben waren besser als Shooting At The Sun – sie gehen wieder starker in Richtung der ersten Scheiben. Wir haben unsere eigene Plattenfirma und machen alle Dinge selber. Wir tragen jetzt die Verantwortung für alle Dinge. Natürlich muss man verschiedentlich auch Arbeiten an Agenturen vergeben, da es sonst zu viel Arbeit ist. Frontiers machen einen spitzen Job für uns in Europa. Man kann einfach nicht alles alleine machen.
Liest man sich mal verschiedene Bandhistories von Thunder durch, so findet man immer wieder die Einschätzung, dass „Behind Closed Doors“ das stärkste Album gewesen sei, während „The Thrill Of It All“ von der breiten Massen unbeachtet geblieben sei.
Damit bin ich nicht ganz einverstanden. The Thrill Of It All war wohl weniger beliebt. Das Album enthielt wohl einige Songs, die dazu beitrugen, dass das Album weniger Beachtung fand. Es gab aber auch sehr starke Songs auf dem Album. Zu der Zeit gingen wir durch einige Veränderungen, die Trennung von der EMI usw. Bei Behind Closed Doors hatten wir Geffen und EMI hinter uns und dann wechselten wir zu einem kleineren Label – das ist sicher auch ein Grund, weshalb das Album weniger Beachtung fand.
Im Vereinigten Königreich kam damals Tony Blair an die Macht und wir haben den Song „Welcome To The Party“ als Single veröffentlicht. Tony Blair ist nun in der Kritik, aber damals schrieb Luke die Lyrics, da er immer ein großer Labour Unterstützer war. Damals waren diese Veränderungen sehr erfrischend und daher war dieses Album auch recht gut. Ich bin also nicht damit einverstanden zu sagen, dass das Album unbemerkt blieb – es hat sich sicher schlechter verkauft. Wir hatten einfach nicht mehr die Unterstützung eines großen Labels.
Das Album war musikalisch etwas leichter und softer – wohl ein weiterer Grund, weshalb es sich nicht so gut verkauft hat. Robert Johnson’s Tombestone hat sich nun aber wieder sehr gut verkauft und wir sind damit stärker zu unseren Wurzeln zurückgekehrt.
Thunder hat als Hardrockband begonnen und nach den ersten drei Alben kamen verstärkt andere Elemente in die Musik: zunächst fand man funkige Sounds und Giving The Game Away enthält sicher auch Brit Pop Elemente.
Eine Band macht Veränderungen durch und es wäre auch sehr langweilig, wenn eine Band auf jedem Album dasselbe Rezept verwenden würde. Man muss ein bisschen mit dem Strom gehen. Ich könnte nicht immer nur dieselben Sachen spielen. Wenn du dir heute unsere Show anhörst, dann wirst du merken, dass es Stücke von fast allen Alben gibt, vor allem auch von den ersten Platten. Auf dieser Tour haben wir das erste Mal darauf verzichtet Dirty Love zu spielen. Es war einfach Zeit für eine Veränderung, was nicht heißen soll, dass wir den Song nie wieder spielen werden, aber jetzt spielen wir einen Song von The Magnificent Seventh, der auch sehr gut als Schlußsong funktioniert.
Gab es darauf schon Reaktionen den Fans? Dirty Love zählt immerhin zu DEN Kulthits der Band.
Einige der Die Hard Fans im UK hassen Dirty Love, da wir es so häufig gespielt haben. Für die Band ist es eine nette Abwechslung, mal andere Songs zu spielen. Wenn die neue letzte Nummer nicht funktionieren würde, hätten wir die Setlist geändert. Es ist allerdings eine Mitsingnummer und die Leute können tanzen usw.
Wir spielen auch einige Balladen: Love Walked In ist zum Beispiel ein Muss. Wir versuchen eine gute Mischung zu spielen, bei der wir Spaß haben und mit der das Publikum zufrieden ist. Es ist wichtig, dass Publikum glücklich zu machen.
Schaut man mal auf die Website der Band, so findet man dort eine Question & Answer Section, in der die Band Fragen der Fans beantwortet. Eine aktuelle Frage viel mir besonders auf. Ein Fan schlug vor, dass die Band für die nächste Studioscheibe eine Bonus CD aufnehmen sollte, auf der sie von den Fans geschriebene Songs aufnimmt. Luke hat sich bereits zu der Frage geäußert, doch was hält Harry davon?
Kein Kommentar.
Das ist eine schwere Frage. Wir wollen gerne jungen talentierten Bands eine Chance geben, daher nehmen wir sie mit auf Tour – jetzt haben wir z.B. Glyder dabei und es ist eine sehr gute Band. Auf der letzten UK Tour haben wir auch versucht, jungen Bands die Möglichkeit zu geben, vor einem größeren Publikum zu spielen. Ich meine, wir sind nicht Gott und wir vergeben keine Almosen, aber wir wollen Rockmusik unterstützen und daher einigen Bands eine Chance geben.
Was die Frage betrifft, ob Fans Songs einsenden, muss ich sagen, dass es wohl nicht funktionieren würde. Luke ist so ein phantastischer Songwriter und der Rest der Band gibt ihm manchmal Ideen. Luke ist aber der Hauptsongwriter und er ist ein hervorragender Musiker und es ist einfach phantastisch. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir von den Fans geschriebene Songs aufnehmen, ich weiß nicht, wie das funktionieren sollte. „Es wäre sehr, sehr interessant.“
Wer weiß, was sich eines Tages ergibt. Die stattliche Reihe der Studio- und Livealben wird ergänzt durch eine Anzahl von X-mas Alben. Mir wollte sich nicht so ganz erschließen, was es damit auf sich hat.
Wir spielen jedes Jahr eine spezielle Weihnachtsshow und wenn die Fans ein Ticket kaufen, dann bekommen sie ein Livemitschnitt der Show kostenlos dazu. Eigentlich gibt es immer zwei Alben: eines ist nur für die Konzertbesucher und eines ist später für jedermann zu kaufen. Wir haben sehr viel Spaß an diesen Shows, es ist eine Gelegenheit für uns mal eine richtige Party mit den Fans zu feiern, uns zu betrinken und richtig Spaß zu haben. Ich kann mich z.B. nicht mehr daran erinnern, wie ich die Show 2005 überhaupt beendet habe. Ich würde so etwas nie auf einer Tour machen. Wenn wir länger unterwegs sind, trinke ich vielleicht ein oder zwei Flaschen Bier oder einige Gläser Wein, bevor ich auf die Bühne gehe. Bei den Christmas Shows kann ich mir aber mal so richtig einen genehmigen. Es macht also sehr viel Spaß.
Die Fans schicken dann ihr Ticket ein und dafür bekommen sie den Mitschnitt der Show.
Das neueste Album ist nach einem talentierten Musiker benannt und man sagt, dass er seine Seele an den Teufel verkauft hat, um seine Technik zu verbessern. Gibt es irgendetwas, für das du deine Seele dem Teufel verkaufen würdest?
Eine 1.80m vollbusige Brünette! Die Geschichte von Robert Johnson ist lediglich eine Legende und niemand weiß, was an solchen Geschichten dran ist. Er ist aber einer der talentiertesten Rockmusiker gewesen. Ich habe nur einige seiner Arbeiten gehört und man muss sagen, dass alles, was er angefangen hat auch funktioniert hat. Er hatte eine unglaubliche Gitarrentechnik und wenn er seine Seele dem Teufel verkauft hat, dann war es das wert. Ich würde meine Seele aber lieber für eine 1.80m große Deutsch-Italienerin verkaufen.
Da fragt man sich natürlich, ob man da die Seele an den Teufel verkauft oder ihn sich direkt ins Haus holt. Doch dies ist eine andere Frage.
Beschäftigen wir uns zunächst nochmals mit der Frage nach dem Druck, der auf der Band lastet. Man hat den Eindruck, dass die Jungs heute etwas befreiter und unbekümmerter aufspielen als in den Major Zeiten.
Um ehrlich zu sein haben wir nie wirklichen Druck verspürt. Wir haben unser Ding gemacht und was passierte, passierte eben. Offensichtlich haben wir heute wohl noch weniger Druck. Wenn die Leute zu unseren Show kommen, kommen sie, wenn nicht, dann nicht. Wir gehen auf die Bühne und ziehen unser Ding durch. Wir fühlen also keinen Druck.
Durch unser eigenes Label sind wir noch etwas unabhängiger und machen einfach die Dinge, auf die wir Lust haben. Wir haben uns aber schon immer die Freiheit genommen, zu experimentieren - auch wenn das Ergebnis nicht so klingt wie das, was wir normaler weise tun.
Es ist aufgrund der Kürze sicher berechtigt von einer zeitlich begrenzten Trennung der Band zu sprechen. Die Frage ist, inwiefern diese Trennung die Einstellung der Band zum Geschäft aber auch zu den einzelnen Bandmitgliedern untereinander verändert hat.
Wir schätzen die Musikalität der anderen Mitglieder sehr und wir akzeptieren, was die einzelnen Mitglieder mit in die Band bringen. Für uns war es ein ganz neuer Anfang und es war hervorragend. Wir sind zwar alle noch mit anderen Projekten beschäftigt, aber Thunder ist sicher unser Herzblut. Wir haben einen großen Teil unserer Leben mit Thunder verbracht und in dieser Zeit ist so vieles geschehen, Heirat, Kinder, Scheidung, und so ist die Band für uns alle ein wichtiger Teil unserer Leben. Als dann das Angebot zu dem Festival kam, haben wir sofort alle Ja gesagt, zumal wir auch tatsächlich Freunde sind. Wir verstehen uns sehr gut und wissen möglicher weise sogar zu viel über einander. Wir sind gerne zusammen und verbringen gerne Zeit miteinander.
Thunder ist eine der großen englischen Hardrockbands unserer Zeit. Sieht man sich die Musiklandschaft in England mal so an, hat man doch eher das Gefühl, dass diese Art der Musik auf der Insel nicht mehr so angesagt ist.
Na ja, die Situation in Deutschland ist vielleicht etwas besser, aber es gibt schon noch einige gute Bands in England. Ich verfolge die Szene nicht mehr so genau, aber wir hatten einige gute Supportbands wie The Answer oder Glyder. Ich bin zu sehr mit Thunder und meinem eigenen Leben beschäftigt. Ich sollte wohl mehr Magazine lesen.
Wir fanden es, wie gesagt, eine gute Idee, junge Bands mit auf Tour zu nehmen und sie für Hardrock zu begeistern. Wir bekommen viele Emails von Bands, die sagen, dass sie klasse seien und dann CDs schicken und leider überhaupt nicht klasse sind.