Aller guten Dinge sind drei – so auch bei Powerwolf. Diese haben mit ihrem Drittwerk abermals ein hervorragendes Album abgeliefert, welches von Fans und Kritikern gleichermaßen abgefeiert wird. Matthew stand abermals Gewehr-bei-Fuß, um einige Fragen zum neuen Album zu beantworten.
Im Interview zu “Lupus Dei” nanntet ihr als Unterschied zum Debüt, dass das Album heavier sei und weniger doomig. Mir scheint, mit dem neuen Werk habt ihr dann wohl die perfekte Mischung gefunden, oder wie seht ihr das?
MATTHEW: Das kann man so sehen. Zwar ist das Album wenig doomig im Sinne von langsam, dafür hat es aber streckenweise eine sehr sakrale und epische Stimmung, die in dem Sinne durchaus doomig ist. Davon abgesehen ist „Bible oft he beast“ mit Sicherheit unser härtestes Album bisher geworden.
Auch was die Texte angeht, tritt der unterschwellige Sarkasmus der letzten Alben diesmal doch recht deutlich an die Oberfläche (z.B. „Panic In The Pentagram“ oder „Resurrection by Erection“). Was inspirierte euch zu den Songtexten des neuen Albums?
Wir inspirieren uns im Grunde selbst. Wir haben eine sehr spezielle Art von Humor und Sarkasmus, gerade in Verbindung mit religiösen Thematiken, die wir allerdings durchaus sehr ernst nehmen. Natürlich sind die texte von „Panic in the Pentagram“ oder „Catholic in the morning…“ mit einem Augenzwinkern zu verstehen, aber es steckt auch durchaus etwas darin. Nur weil man ein Augenzwinkern einbaut, heißt das noch lange nicht, dass man sich über ein Thema lustig macht. Im Gegenteil: Wir sind privat allesamt religiös und spirituell interessierte Menschen, wir schreiben beim Wolf texte mit religiösem Bezug – aber: Wir beziehen keine Stellung, war auch nicht funktionieren würde, da wir alle teilweise sehr unterschiedliche Auffassungen haben, und uns daher bewusst nicht als Band religiös einordnen lassen…. Und ab und an ein Augenzwinkern einzubauen zeigt dann eben auch, dass wir nicht Missionieren wollen. Wir können auch mal über uns selbst lachen, und wir können auch mal über Religion lachen… wir können sogar mal über den Metal lachen… und wir dürfen das. Warum? Weil wir den Metal lieben, und weil sich ohnehin viel zu viele Menschen zu ernst nehmen.
Besonders die Entstehungsgeschichte von "Catholic in the Morning...Satanist at Night" würde mich interessieren.
Nun, in dem Text gibt es mehrere Ebenen. Oberflächlich ist da der natürlich etwas überspitzt plakativ dargestellte Glaubenskonflikt. Darüber hinaus behandelt der Text aber auch durchaus die Zwiespältigkeit unserer Gesellschaft, gerade auch im Umfeld des Glaubens, denn natürlich gibt es auch die Menschen, die an der Oberfläche etwas brav und gut christlich sing, und so manch dunkle Seite haben, nur um mal ein Beispiel zu nennen. Umgekehrt gibt es dann ja auch die Teilzeit-Satanisten, wie wir sie liebevoll nennen, die sich nur zum Wochenende ihr Pentagramm umhängen, und wahrscheinlich beim Anblick einer rohen Schweinshaxe in Ohnmacht fallen würden… die kriegen bei „Panic in the Pentagram“ ihr Fett weg – du siehst schon: Manches Phänomen schreit einfach danach vom Wolf mal durch selbigen gezogen zu werden.
Ihr habt mittlerweile ja viele Shows gespielt. Wie ist denn damals die Tour mit Grave Digger gelaufen? Haben sich die musikalischen Unterschiede als Vorteil oder Nachteil für euch herausgestellt?
Die Tour mit Grave Digger ist super gelaufen, und die Zusammenstellung der Bands hat finde ich perfekt harmoniert, denn beide Band sprechen im Grunde eine Große Schnittmenge an Publikum an, ohne dabei aber völlig gleich zu klingen, und das ist interessant. Zudem sind die Grave Digger Jungs und deren Crew mit die nettesten Zeitgenossen, mit denen wir bisher unterwegs waren…
Ihr habt immer betont, dass das Optische bei Powerwolf einen hohen Stellenwert hat. Was würdet ihr (wenn Geld fließen würde) als perfekte Bühnenshow inszenieren?
Haha, da hätten wir so manche Idee, glaub mir. Was aber viel wichtiger ist: es gibt den sehr wahren Spruch „Ein guter Prediger braucht keine Kathedrale“, und das ist ein sehr sehr wahrer Spruch: denn auch mit begrenzten finanziellen Mitteln haben wir es durch die letzten touren geschafft, uns einen guten Ruf als außergewöhnliche Liveband zu erspielen. Seit der letzten Tour mir Brainstorm haben wir ja auch unsere „Kirche“ auf der Bühne dabei. Natürlich ist es – gerade wenn man als Support tourt – nicht immer möglich solche Aufbauen auch in vollem Umfang zu verwenden, weswegen wir derzeit erwägen im Herbst eine Reihe von Headlinershows zu spielen.
Ich habe in einem Interview gelesen, dass ihr im Grunde religiös seid. Insofern kann man ja „The Bible…“ fast als zeitgenössische Religionskritik sehen. Steht ihr damit auch in der Tradition solcher Leute wie Feuerbach, der ja Gott im Grunde nur als eine Projektion sah? Will sagen, eure Songs dienen ja nicht unbedingt der Ablehnung des Glaubens, sondern eher der Sensibilisierung bestimmter Aspekte und Umgehensweisen mit Glauben, oder?
Richtig. Wir haben aber auch immer gesagt, dass wir Powerwolf nicht als Religionskritik verstanden sehen wollen. Wir halten unsere Persönlichen religiösen Ansichten bewusst aus der Band heraus. Powerwolf ist eine Metalband, und keine Gruppe von religiösen Wanderpredigern. Nun, wo du aber diese durchaus interessante Frage gestellt hast, will ich dir auch etwas dazu sagen: Es mit Feuerbach zu halten, wäre für mich ein wenig einfach. Feuerbach vertrat vor dem Hintergrund seiner Zeit sicherlich interessante Ansichten und initiierte wichtige Diskurse, aber es wäre ein wenig einfach Gott als eine reine Projektion der eigenen Ideale zu betrachten, wie Feuerbach es ja – stark vereinfach gesagt - proklamierte. Wenn man sich schon über den Projektionsansatz dem Gottesbegriff nähern will, dann halte ich persönlich den Ansatz von Leuten wie etwa Sartre für weitgreifender, der Gott als „die Einsamkeit des Menschen“ bezeichnet, als Projektion der Dinge, die wir nicht begreifen, nicht überwinden können. Aber da könnte ich jetzt stundenlang mit dir philosophieren…
Daher zurück zum Wolf: Ich denke es würde sogar ein wenig weit gehen, zu sagen, dass wir sensibilisieren wollen. Wenn das der Fall ist, dann ist das gut, es schadet nie, Menschen zum Nachdenken anzuregen. Aber in erster Linie sind wir eine Metalband und wollen unterhalten. Für uns als religiös interessierte Menschen liegt es nahe, die Mystik und Symbolik Religiöser Gleichnisse als Textgrundlage zu verwenden, aber dennoch dienen die Texte in erster Linie der Untermalung der Musik. Wir verwenden ja auch eher ein nicht-religöses Vokabular. Ein guter Metalsong braucht einen guten Metaltext, und dazu gehört auch ein gewisses Vokabular. Damit gewinnst du keinen Literaturpreis, und damit kannst du auch keine wissenschaftliche Betrachtung betreiben, aber es passt zur Musik.
Achtet man beim Songwriting noch mehr auf Kleinigkeiten, wenn man weiß, dass man mit der Musikhochschule zusammen arbeiten wird? Oder seid ihr ohnehin so perfektionistische Musiker, dass die Songs auch der Analyse der Hochschulstudenten standhalten?
Haha… ganz im ernst: Ich glaube, dass viele Metalmusiker richtig gute Musiker sind, und finde es schade, dass das außerhalb der Metalszene nicht wahrgenommen wird. Überall wird Jazz als kunstform der Unterhaltungsmusik gefördert (leider!!! – TZ), und Rock- und Metalmusik bestenfalls belächelt, dabei gibt es in unserer Szene verdammt versierte Künstler. Damit meine ich jetzt aber nicht unbedingt uns, haha…. Zu deiner Frage: Wir haben bei „Bible…“ in der Tat viel mehr wert auf Feinheiten und vielschichtige Arrangements gelegt, als bisher, aber nicht wegen der Musikhochschule, sondern weil es unser eigener Anspruch war. Interessant war übrigens, dass sich einige der Musikstudenten als Metalfans outeten, und am zweiten Tag der Aufnahmen sogar das ein oder andere Metalshirt im Chor zu sehen war. Eine sehr schöne Zusammenarbeit und auch irgendwie bezeichnende dafür, dass es lohnen kann, außergewöhnliche Zusammenarbeiten zu suchen.