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Sick Of It All

Frühsommerlicher Plausch im idyllischen Freisitz des Conne Islands in Leipzig mit Armand Majidi, seines Zeichens Schlagzeuger der Band Sick Of It All am 01.04.2011.

Im Interview selbst geht es um Nazis, Touralltag und die Verbundenheit mit dem Conne Island.

Wir dachten ein kleines Willkommensgeschenk sei angebracht, allerdings kam uns die Idee erst 5 Minuten vor Interviewbeginn. Also durchforsteten wir mein Auto und fanden einen Luftballon der letzten Ultra-Choreographie der BSG Chemie Leipzig, auf welchem geschrieben stand: „Love Football- Hate Faschism!“ Wir ergänzten noch SOIA hinter Love und los ging es. Es erwartete uns ein sehr freundlicher, entspannter und sichtlich erschöpft wirkender Armand. In jeder Hand hatte er ein Bier für uns, welches wir gern annahmen, lockert doch ein kühles Bier auch die Zunge ein wenig. Mit unserem grünen Ballon war der Einstieg ins Gespräch schnell gefunden. Armands erste Frage zielte auch gleich auf das Thema Faschismus ab. Gibt es hier bei euch viele Nazis? Unsere Antwort lautete: „Hier im Stadtteil Connewitz eher kaum. Aber in einigen anderen Stadtteilen und besonders im Leipziger Umland schon.“ Darauf Armand: „Ja, je weiter entfernt von höher besiedelten Städten, desto extremer die Ansichten der Leute. Gibt es hier in Leipzig überhaupt Nazis? Meiner Meinung nach hat Leipzig eine sehr große Antifa- Szene.“ Wir: „Ja, nicht ohne Grund! Nicht wenige Leute tragen gewisse nationalistische Ansichten mit sich herum und bringen diese auch hin und wieder verbal oder bei Übergriffen zum Ausdruck. Daher bedarf es noch einiger Aufklärung und vor allem entschlossenem Entgegentreten.“

Wir bedankten uns bei ihm, dass er sich Zeit für uns nimmt, obwohl er doch sichtlich K.O. wirkte und so kamen wir zum Touralltag der Band.

Armand: „Ich nehm mir gern die Zeit, allerdings ist es immer schwieriger in Richtung Osten zu reisen. Einfacher ist es da von Osten nach Westen zu ziehen. Beispielsweise von New York nach Kalifornien. Andersherum fühlt es sich härter an. Heute Leipzig, morgen Prag, danach Slowenien was für uns eine Premiere darstellt. Wir sind alle sehr gespannt darauf.“

Fahrt ihr eigentlich die gesamte Strecke mit dem Bus, der aussieht wie ein ICE? Ist er auch genauso schnell?

Armand (lacht): „Nein, es ist ein sehr alter Bus. Nur weil wir ihn mögen, ist er noch nicht auf dem Schrott gelandet.“

Welche Musik hört ihr privat?

Armand: „Ich hör eigentlich alles, bin offen für jede Musik. Abgesehen von diesem Top 40 Mist und Indipop. Ich meine diese vorproduzierten Sachen, die den Bands komplett vorgesetzt werden und dann die Band nur das zurechtgestylte, aufgeklebte Etikett darstellt. Ansonsten mag ich Folk- und Countrystyle. Lou hört eher New School Hardcore, Craig steht auf 80 'er Jahre Old School Hardcore und Pit ist offen für Salsaklänge. Seine Frau kommt aus Puerto Rico und daher interessiert er sich sehr für lateinamerikanische Kultur und Musik. Wir hören alle unterschiedliche Musik und ich denke, genau das macht unseren Sound aus und SOIA zu dem was wir sind. Wir haben kein Interesse daran ein Album zu machen, das sich anhört wie ein einziger Song. Manche lieben uns dafür, andere halten unsere Musik für zu melodisch und sprechen uns die Härte ab. Sie sagen, das wäre kein Hardcore, nicht extrem genug. Es kommt auf das Publikum an, manche lieben es und andere wollen immer und immer wieder nur das Gleiche hören.“

25 Jahre SOIA, morgen geht es nach Prag, Slowenien, Russland... . Wie schafft ihr es eigentlich, jeden Abend wieder diese Power aufzubringen, die ihr live rüberbringt? Woher nehmt ihr die Kraft?

Armand: „Es ist ein sehr hartes Leben, vor allem körperlich. Am schlimmsten ist das Reisen von Stadt zu Stadt. Wenn du mit so einem Bus unterwegs bist, der einfach nur rollt, ist es ok. Die Straßen hier sind gut. Mal abwarten wie es in Slowenien wird. Ihr wisst nicht zufällig wie die Straßen dort sind? Sonst schlafen wir, wenn der Bus steht. Was richtig nervt ist, wenn du fliegen musst. Jedes Mal, wenn du fliegst kotzt du richtig ab. Es dauert Stunden, in denen man sinnlos am Flughafen rumsitzt, schauen muss, dass sein Zeug alles mitkommt und dann die engen Flugzeuge. Du kommst irgendwo an und sollst dann noch am selben Abend spielen. Das stresst richtig. Deshalb machen wir es mittlerweile so, dass wir einen Tag Ruhe vorm nächsten Gig einschieben, wenn wir fliegen müssen. Beispielsweise fliegen wir jetzt nach Russland, machen einen Tag Pause, spielen in St. Petersburg und fahren dann mit einem Nachtzug nach Moskau. Spielen dort und fliegen danach zurück nach Deutschland.
Klar, finanziell wäre es besser, wir spielten jeden Abend, aber wir brauchen diese Pausen zum Relaxen. Anders sieht es aus, wenn wir in Südamerika unterwegs sind. Da fällst du aus dem Flieger direkt auf die Bühne und danach direkt zurück in den Flieger. Meist sind die Strecken zu kurz und die Flieger zu eng, um auch nur ein paar Stunden zu schlafen. Das macht dich einfach nur fertig.“

Du hast die finanzielle Seite des Geschäfts angesprochen … … Armand fällt ins Wort: „Manche Bands spielen wirklich jeden Abend, nur um die Tour zu finanzieren und sich am Ende noch etwas Kleingeld in die Taschen stecken zu können. Das tun wir uns nicht mehr an. Wir vermeiden Shows an Montagen und Dienstagen, da kommen in der Regel weniger Leute. Ich hoffe, nächsten Dienstag in Polen kommt überhaupt jemand, obwohl man nie eine Garantie hat.“

Letzte Woche spielten RISE AGAINST in Leipzig im Haus Auensee vor 2500 Leuten. Warum spielt Ihr nach 25 Jahren immer noch in so kleinen Clubs wie dem Conne Island?

Armand: „Das Conne Island hat mit 1000 Leuten genau die richtige Größe. Wir sind glücklich, wenn wir den Club hier ausverkaufen.“

Wenn man sieht, wie viele Leute auf Festivals zu euren Shows abgehen, könnte man denken ihr bekommt noch größere Hallen voll.

Armand: „Ich denke der Name ist letztlich größer als die Realität. Wenn man hört, SOIA spielt auf diesem oder jenem Festival, denken die Leute schnell: „Wow, SOIA sind groß!“ Aber wir sind da realistisch und froh, wenn wir einen Club mit 1000 Leuten füllen können. Es gab im letzten Jahr auch Shows vor 350 Leuten. Es hat neben der Größe der Stadt auch mit der Verbindung, der Geschichte zum Club zu tun. Nimm zum Beispiel das Conne Island. Hier spielten wir das erste Mal vor 19 Jahren auf unserer ersten Europatournee und wir waren einfach nur geflasht von dieser Begeisterung und Herzlichkeit, mit der wir hier empfangen wurden. Jedes Mal, wenn wir hier spielen, ist es wie eine große Party mit Freunden und Konfetti und wir fühlen uns einfach wohl und geborgen. Nimm nur mal dieses tolle Hotel, was sie uns besorgt haben. Dies ist keinesfalls selbstverständlich. Es ist uns wichtiger, wir spielen vor 1000 authentischen Leuten, die mit dem Herzen dabei sind in authentischen Clubs mit Geschichte, als in sterilen Großraumhallen.

Ein junges Pärchen unterbricht uns und bittet um ein Foto und ein Autogramm… Du siehst, die Leute freuen sich, dass ihr hier spielt und ihr auch die Nähe zu den Leuten zulasst, ihr euch hier einfach zwischen die Fans in den Biergarten vom Conne Island setzt.

Armand: „Mir wär's am liebsten jede Stadt hätte ein Conne Island, wo die gegenseitige Beziehung so herzlich ist wie hier. Es gibt auch viele große Rockclubs in denen nur frustrierte Leute ihren Job wegen des Jobs erledigen. Sie geben sich nicht die Mühe wie jeder Einzelne hier. Mit solchen Leuten kommt es zu keinerlei positiven Beziehungen zwischen Club, Mitarbeitern, Band und natürlich dem Publikum. Ich finde dieser Ort ist großartig, denn hier hilft jeder jedem, man passt auf einander auf. Es ist hier wie in einer großen Community. In einem solchen Rahmen funktioniert Hardcore am besten.“

Siehst du generelle Unterschiede zwischen Deutschland und Amerika was das angeht?

Armand: „In Amerika gibt es so etwas wie Community nur selten bis gar nicht. Es gibt zwar noch Leute, die unsere Musik gern hören, aber leider werden es immer weniger Orte an denen sich die Leute treffen, ihre Meinungen austauschen und gemeinsam etwas aufbauen bzw. erhalten können.

Was, im großen freien Amerika gibt’s kein Conne Island?

Armand: „Oh nein, leider wirklich nicht! Entwickelt sich mal ein Club mit ähnlichen Strukturen wie in diesem Haus, wird er sofort wieder von Behörden und Regierung geschlossen. So etwas wird in Amerika nicht gewünscht. Weil die Kids nur auf der Straße abhängen, sich selbst überlassen sind und ihnen solche Orte fehlen, ist meiner Meinung nach auch die Jugendkriminalität in Amerika so hoch. Ihnen bleibt nur die Straße. Soziales Engagement ist in Amerika noch immer als kommunistisch verrufen und stößt somit auf allgemeine Ablehnung. In Deutschland gibt es eher Zuspruch und Unterstützung und somit haben mehr junge Leute die Möglichkeit positive Lebenserfahrungen an Orten wie diesem hier zu machen. Obwohl ich weiß, dass es auch hier öfter zu Schwierigkeiten mit Behörden durch Auflagen und so weiter kommt.“

Aber auch bei uns sind solche Clubs und Projekte nicht selbstverständlich und neben dem hohen Engagement jedes Einzelnen benötigt man auch hier Geld und die Fördergelder fließen nicht gerade in Strömen. Deshalb ist es wichtig, dass nach wie vor Bands wie ihr hierher kommt und die Sache mit euren Auftritten unterstützt.

Armand: „Das machen wir sehr gerne, denn das Conne Island liegt uns sehr am Herzen und wir werden es weiterhin, soweit es uns möglich ist unterstützen.“

Ja, vielen Dank dafür und für die Zeit, die du dir für uns genommen hast. Wir wünschen euch noch einen schönen Aufenthalt hier in Le. Eine tolle Show heute Abend und eine nicht gar so stressige Tour mit genügend Schlaf.

Armand: „Ich danke Euch und danke auch für den Ballon!“

Das Interview führten Marco und Daniel


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