Was tun, wenn man seine Herzdame an einem lauschigen Herbstabend zum Dinner geladen hat, sie bereits lasziv auf dem samtenen Kanapee Platz genommen, einen Kristallkelch mit schwerem rotem Weine gefüllt anmutig an die Lippen führt und mit heißem Hauch die Düfte lobt,
die aus der geschlossenen Küchentür wabern
– Du selbst mit hungrigen Gedanken an das duftende Dessert die Zutaten für die
italienische Speise noch einmal nervös umherrückst während du dem Hefeteig harrst,
der seit Stunden schon im Kühlfach lagert und der sich längst schon bebend deiner
kunstfertigen Hand hätte entgegenwölben müssen – Was also tun, wenn die Schöne
im Salon sich bereits ungeduldig in den Kissen räkelt und gierig Trauben und
Nüsse verschlingt, die du eigentlich nur der Zierde wegen auf dem Marmortisch
angerichtet, während die letzten Tropfen Wein durch ihre dürstende Kehle rinnen
und du immer noch in der Küche kauerst und hoffst, dass der Pizzateig vielleicht
doch noch...doch nein: hingesunken und verschrumpelt dorrt das Gemisch am Grunde
der Kasserole. Im Salon sinkt die Schöne vor Hunger bleich vom Kaftan und windet
sich knurrend auf den Bodenfliesen. „Da kann nur einer helfen...“ denke ich
mir, starr vor Angst dass es mit dem mit pochendem Verlangen ersehnten Nachtisch
nichts werden könnte, schnappe mir den Telefonhörer und...
Hallo?
Schmier, du kannst dir ja denken, was ich dich als Allererstes fragen werde...
Nee...?
Natürlich frage ich nach dem Rezept für den ultimativen und immer gelingenden
Pizzateig.
Das ist nicht dein Ernst jetzt, oder?
Doch!
Also wichtig ist auf jeden Fall, dass man nicht zu viel Hefe nimmt, und wichtig
ist auch, dass man ein bisschen Olivenöl reinmacht. Das macht den Teig nämlich
schön geschmeidig. Dann muss man ihn lange stehen lassen.
Ich stelle ihn immer in den Backofen...
Ja, genau, wenn du den Backofen ein bisschen vorheizt, kannst du ihn da schön
gehen lassen.
Und bei welchem Schlachter hast du früher immer die Zutaten gekauft? He,
he, he.
Ho, ho, ho, ich glaube, das war so’n dicker Mann mit Glatze…
Ja, das hab ich mir gedacht, hu hu, hu.
Ha, ha, ha.
Jetzt mal ernsthaft: Mir ist zu Ohren gekommen, dass du nebenbei auch ein
bisschen Musik machst.
Ja, ab und zu mal.
...Und jetzt habe ich grad die neue DESTRUCTION-Scheibe in meinem Player
liegen und krieg sie da beim besten Willen auch nicht mehr raus.
Das klingt gut!
Ja, das Teil ist ein Hammer. Ich würde sagen: es ist ein lupenreines DESTRUCTION-Album.
Der urtypische DESTRUCTION-Sound der 1980er im 2000er Gewand.
Ja, das schreiben im Moment viele. Ich selber kann das immer schlecht beurteilen.
Wir reißen uns den Arsch immer auf, um ne gute Platte zu machen; und es ist
cool, wenn die Leute sagen, es ist eine gute Platte geworden. Und jetzt sagen
viele Leute, dass sie halt in der Tradition der alten Platten steht; es gibt
sogar welche, die schon behaupten: „Das ist der neue DESTRUCTION-Klassiker!“.
Danke, das freut mich natürlich tierisch, wenn die Leute da so drauf reagieren,
denn das Vermächtnis der Band ist riesig, und an eine Platte wie „Infernal Overkill“
ist schwer ranzukommen. Wenn jetzt die Leute sagen: „Beste DESTRUCTION-Platte“
das ist wirklich klasse.
Wo siehst du denn die größten Unterschiede zum Vorgänger?
Ich glaube, die Band
ist eine Band geworden in der Zeit. Wir sind viel getourt und durch die Tourerfahrung
sind wir viel tighter geworden, als Band, aber auch vom spielerischen her, wir
kommen jetzt schneller auf den Punkt; auf der letzten Platte waren wir noch
sehr verspielt und auch nicht ganz so entschlossen, wie diesmal. Ja, nach 10
Jahren...Mike hat ja lange etwas anderes gemacht, ich habe mein HEADHUNTER-Ding
durchgezogen, da war es am Anfang nicht ganz klar, in welche Richtung wir gehen.
Ich und Mike haben uns dann immer gefragt: „Klingt das jetzt nach DESTRUCTION?“.
Also die Tour hat die Band zusammengeschweißt. Ich glaube, keiner macht ne ultimative
Platte nach 10 Jahren Abwesenheit aus der Szene, das ist ganz klar.
Du stehst der letzten Platte also auch kritisch gegenüber, du sagst ja, dass
es da Sachen gibt, die man besser hätte machen können!?
Ja, so sehe ich das. Es gab da halt einige Sachen, die man verbessern konnte,
und das haben wir auch getan.
Viele haben auch am Sound rumgemäkelt, was ich nicht ganz nachvollziehen konnte.
Ich glaube, das waren die Leute, die unverbesserlich an den alten Sachen orientiert
waren. Natürlich trug der Sound auf „All Hell Breaks Loose“ klar Tägtgren’s
Handschrift und wir wollten ja auch einen extremen Gitarrensound, n harten Sound
haben, und deswegen verstehe ich nicht, warum diverse Leute so rumgemäkelt haben.
Aber klar: die alten Klassiker sind das Vermächtnis und daran muss man sich
dann eben auch messen lassen, ganz klar.
Klar.
Aber ich glaube, dass auch viele junge Fans durch „All Hell Breaks Loose“ auf
DESTRUCTION gestoßen sind und mit dem neuen Sound mehr anfangen konnten als
die alten Fans; die also quasi durch den neuen Sound an DESTRUCTION herangeführt
worden sind. Ich meine Leute, die früher Death- oder Black Metal gehört haben
und dann gesagt haben: „Wow! Tägtgren-Produktion, Destruction...hör ich mir
mal an.“ Ich glaube, wir haben auch jede Menge neue Fans gewonnen.
Ich finde, dass ihr endlich mal einen guten und fetten Sound bekommen habt.
Auf euren alten Platten hatte ich oft das Gefühl, dass die Leute im Studio,
aber auch ihr selbst, den Sound nie so richtig in den Griff bekommen habt.
Ja, das war damals ein Problem. Unsere Sound-Engineerer waren damals nie so
erfahren, was Metal anbelangt. Die hatten dann vorher irgendwelchen Deutsch-Rock
produziert. Mittlerweile haben wir ja 20 Jahre Metal hinter uns, und jetzt wissen
wir, wie’s klingen muss.
Einige verstehen „The Antichrist“ als das eigentliche DESTRUCTION-Come Back-Album.
Würdest du das ähnlich sehen, denn du sagst ja, dass auf „All Hell Breaks Loose“
noch nicht alles hundertprozentig stimmte? Ja und Nein. „All Hell...“ war auf
jeden Fall der Schritt in die richtige Richtung. Es wäre schade gewesen, wenn
wir danach wieder in der Versenkung verschwunden wären, wie so viele andere
Bands auch. Aber auf jeden Fall ist „The Antichrist“ das stärkere Album. Es
hat halt die typischen DESTRUCTION-Trademarks zu bieten, es ist technisch besser;
überhaupt haben wir alles, was man hätte besser machen können, auf „The Antichrist“
verbessert.
Das sehe ich auch so. Für mich war das typische DESTRUCTION-Merkmal heute wie
früher immer die Verbindung von den recht komplexen und vertrackten Gitarrenriffs
von Mike mit straightem Bass und Drumming und natürlich dein unverwechselbarer
aggressiver Gesang. Man könnte sagen: die perfekte Ergänzung. Das hört man bei
„The Antichrist“ voll raus.
Ja, das war früher teilweise ein Problem. Aber mittlerweile arbeiten Mike und
ich wieder super zusammen. Jeder schätzt den anderen und die Ideen werden zusammen
angepackt. Das ist ein großer Vorteil. Sonst quält man sich beim Songwriting
immer nur rum und dann kommt nichts Großes bei raus. Diesmal hat das Songschreiben
richtig Spaß gemacht.
Das hört man auch raus. Alles klingt frisch und unverbraucht. Tight und aggressiv.
Ja genau. Das ist auch total wichtig, wie und wo die Songs entstehen. Da kannst
du 10 mal ne tolle Produktion draufklatschen, wenn die Songs nicht richtig knallen,
knallt die ganze Platte nicht.
Mir kommt es so vor, als wenn du und Mike so etwas wie die beiden „Pole“ von
DESTRUCTION verkörpern würden. Man könnte auch sagen: Mike ist der Kopf und
du bist der Bauch... Ja, das kann man so sagen. Ich bin eher für die straighteren
Sachen verantwortlich, auch für die Sachen, die dann mehr oder weniger zum Gesang
passen; und Mike bringt dann eben seine typischen Riff-Monster an. Manchmal
muss man ihn auch richtig bremsen, wenn er übermotiviert ist. Er sieht aber
auch, dass unsere Ideen super zusammen passen und er verlässt sich dann in gewissen
Bereichen auf mich und ich mich auf ihn. Das tragende Riff kommt meistens von
ihm und ich komponiere dann meistens meine Riffs und den Gesang drumherum.
Da fragt man sich doch, ob es hauptsächlich zwischen dir und Mike gekracht hatte,
als es damals 1989 zum Split kam. Gab es da Meinungsverschiedenheiten über die
musikalische Ausrichtung? Viele Köche verderben den Brei. Da waren ja noch die
neuen Mitglieder Olli und Harry dabei und die hatten ja musikalisch einiges
zu bieten. Da hat sich Mike auch sehr beeinflussen lassen von ihnen, weil die
ihn ja unterstützt hatten mit seinem technischen Gefummel.
Der Bauch war da ganz allein gelassen.
Wir hatten halt drei, die nur frickeln wollten und daran ist die Band kaputt
gegangen.
Du würdest also sagen, dass „Release From Agony“ schon nicht mehr so toll war?
Ja, da gab es schon Zoff. Schon beim Einspielen der Songs gab es Trouble und
da war ich beim Einsingen schon sehr unzufrieden mit diversen Gitarrenläufen
und Drumtracks; das war teilweise viel zu überladen. Aber da stand ich alleine
da. Gut der Produzent hatte das ähnlich gesehen und mich auch bestätigt, aber
da war ja schon alles gelaufen.
Ich war damals der riesige DESTRUCTION-Fan und eigentlich haben wir Fans die
Platte sehr wohlwollend aufgenommen. Wir haben den großen Bruch zu den alten
Sachen gar nicht so wahrgenommen. Ich hatte das Gefühl, dass ihr auch schon
vorher, auf „Eternal Devastation“ ein bisschen in diese Richtung gehen wolltet.
Der Vorteil von „Release From Agony“ war, dass ein paar tolle Leads und Riffs
vom Harry drauf waren. Aber Olli hatte ja immer versucht, alles so extrem jazzig
zu spielen. Er ist halt ein alter Jazzer und wollte nicht immer Ufta-Ufta spielen.
Er ist ja auch mit diesem ganzen Zeug nicht großgeworden, diese ganzen Two-Beat-Sachen,
die gaben ihm halt nicht so viel. Das Album hat eine sehr düstere Atmosphäre.
Kann das sein, das man diese Unstimmigkeiten da schon raushören konnte? Klar,
kann schon sein.
Daraufhin war ja Schluss mit DESTRUCTION, zumindest für dich...denn Mike hat
ja weitergemacht. Und da kam ja als erstes das „Cracked Brain“-Album heraus.
Warst du eigentlich an den Aufnahmen noch beteiligt?
Ja, ein paar Titel stammten noch von mir und eben noch ein paar andere Sachen
wurden übernommen. Ich habe ja auch noch auf den Demos mitgewirkt und die Jungs
auch ziemlich unter Druck gesetzt, dass die Songs auch straighter werden. Die
haben dann tatsächlich auch noch ein bisschen was verändert und wenn du das
Demo mit dem Endprodukt vergleichst, ist das Demo echt noch schlimmer. Das war
total frickelig, „Cracked Brain“ ist richtig straight dagegen.
Du sagst ja immer, das Album sei nicht dein cup-of-tea, ich finde aber, dass
tatsächlich ein paar Songs drauf sind, die man sich absolut anhören kann.
Doch, doch. Also du musst dir die Originalsachen anhören. Wir haben uns damals
zerstritten, vor allem an dem frickeligen Kram. Dann haben die Jungs hinterher
doch gemerkt, dass sie ein bisschen straighter werden müssen und hatten das
auch soweit umgesetzt. Auch durch den Produzenten, der ja vorher mit MOTöRHEAD
gearbeitet hatte. Ich war die ersten zwei Wochen im Studio ja noch dabei damals...
Die Texte waren noch von dir?
Nee, die hat der Olli dann neu gemacht. Ich hatte damals im Studio gesagt: „Leute,
das haut nicht hin, das passt nicht in das Konzept von DESTRUCTION.“ Und da
haben wir uns richtig in die Haare gekriegt.
Ja, dann kam ja für dich der Sänger von POLTERGEIST. Und ich finde das ist genau
das Problem: Der Gesang auf „Cracked Brain“ ist sehr blass. Man erwartet eben
deine Röhre. Ja, er war ein guter Sänger, aber er hat halt eben nicht die DESTRUCTION-Stimme.
Die haben ja damals auch mit dem Mann von ARTILLERY zusammengearbeitet; der
hätte die Platte auch um ein Haar gemacht. Das hat aber dann doch nicht geklappt.
Danach fristeten DESTRUCTION ja so eine Art Schattendasein. Eigenproduktionen,
vereinzelte Auftritte in kleinen Clubs und auch Anschluss an modernere Sounds.
Hast du das Ganze eigentlich mitverfolgt?
Ja, klar. So mit einem Ohr halt. Es interessiert dich schon, was deine Ex-Kumpels
so machen. Ich habe da gemerkt, dass sich die Band immer weiter von ihren Roots
entfernte. Technisch und spielerisch super; aber die Songs haben einfach nicht
geknallt. Außerdem war mit dem Mike ja eigentlich nur ein Urmitglied dabei.
Die anderen kamen ja mehr aus dem experimentellen Metal-Bereich mit ihrer Band,
das ergab dann echt ne komische Mischung.
Hatte ja eben nur ein Fünftel mit DESTRUCTION zu tun.
Live haben sie zwar auch altes DESTRUCTION-Material gebracht, man musste sich
aber sehr anstrengen, um das rauszuhören. Hätte ich gern mal gehört.
Du selbst hast dann ja ziemlich schnell mit HEADHUNTER ne neue Band hochgezogen.
Kam das direkt nach deinem Rausschmiss?
Ja. Ich habe kurz nach dem Rausschmiss hochmotiviert angefangen, Songs zu schreiben.
Die Platte („Parody Of Life“, der Verf.) kam recht schnell raus...
Ja, ich hatte das Glück, schnell einen guten Gitarristen (Ein Mann namens „Schmuddel“,
d. Verf.) gefunden zu haben... Und einen verdammt geilen Drummer (Jörg Michael,
der Verf.)... Ja, wir waren schon länger befreundet. Er hatte halt damals schon
gesagt, er würde gern mal mit DESTRUCTION spielen. Als er damals noch bei RAGE
und MEKONG DELTA war, hatte er immer gemeint, er würde so gern mal „Bestial
Invasion“ live spielen. Hat er dann ja auch geschafft. Ich hab euch 1992 mal
live gesehen, da habt ihr’s mit HEADHUNTER ja auch gespielt. Fand ich klasse.
War das eigentlich auch so eine Art ausgestreckter Mittelfinger Richtung alte
Bandkollegen; so nach dem Motto: „Jetzt zeig ich’s euch!“?
Ja natürlich. Wir haben das zwar schon vermieden, dass wir das gleiche machen
wie DESTRUCTION, aber irgendwo waren Parallelen da; durch die Stimme vor allem.
Aber unser Gitarrist, der kam ja aus einer total anderen Ecke, der war totaler
PRIEST-Fan. Deshalb war HEADHUNTER eine Mischung aus PRIEST-Sachen mit DESTRUCTION-Elementen.
Der hat ja eine schlimme Verletzung gehabt...
Der hat einen schweren Autounfall gehabt. Der konnte seinen Arm ziemlich lange
nicht bewegen.
Und wie geht es ihm heute? Kann er wieder spielen? Ja, der spielt wieder. Wir
haben auch Kontakt. Komischerweise gibt es jetzt auch wieder Anfragen, wann
wir denn mal wieder ein paar HEADHUNTER-Sachen spielen...
Ja, das wär’s doch...
Ja, aber ich habe keinen Bock DESTRUCTION und HEADHUNTER zu vermischen.
HEADHUNTER hatte meiner Meinung nach ein eigene Bandidentität. Im Gegensatz
zu DESTRUCTION ging es hier doch viel um Rock’nRoll und Fun, oder?
Ja, das war die logische Konsequenz aus dem ganzen Gerangel mit DESTRUCTION.
Da wurde ein Song in Monaten geschrieben, das war grausam. Bei HEADHUNTER war
die Devise: „Spaß haben!“. Das hat man auch rausgehört. Vielleicht war es teilweise
ein bisschen übertrieben, das haben uns viele Leute vorgeworfen. Aber für mich
war es ein Ausbrechen aus dem ganzen Frust damals. Es gab ja auch ultra-aggressive
HEADHUNTER-Songs; „Signs Of Insanity“ von der „A Bizarre Gardening Accident“-Scheibe
zum Beispiel. Desöfteren wurde ich übrigens beim Hören von „The Antichrist“
auch an diesen Track erinnert...
Ja, ist schon komisch. Ich kann das schlecht beurteilen. Man schreibt den Kram;
man hat irgendwo seine Roots und die kann man auch nicht verleugnen. Ich finde
aber auch: zum Beispiel der Mittelteil von „Nailed To The Cross“, der klingt
auch ein bisschen nach HEADHUNTER.
Ich finde das sehr erfrischend.
Bei uns ist das echt klasse im Moment. Jeder kann sich einbringen. Es gibt keinen,
der sagt: „Ich spiele dein Riff nicht!“. Es gibt diesen Kinderkram wie früher
nicht mehr, man arbeitet die Sachen zusammen aus und hat denn auch viel schneller
ein Produkt in der Hand. Das ist der große Vorteil, deswegen haben wir es auch
geschafft, in so kurzer Zeit eine so hochwertige Platte wie „The Antichrist“
zu machen, obwohl wir viel getourt sind.
Ich finde es auch sehr wichtig, dass, wenn eine Band sich wieder ins Bewusstsein
bringen will, sie dann auch etwas Neues bringt und nicht nur die alten Sachen
rauf- und runterspielt. Das war uns von Anfang an klar. Als wir gesehen haben,
was alle anderen Bands gemacht haben, EXODUS und METAL CHURCH zum Beispiel:
Liveplatten (ächz), da haben wir uns gesagt: „Auf keinen Fall machen wir eine
Liveplatte!“. Wir machen ne neue Platte; und wenn wir es schaffen, die Leute
zu überzeugen, ist gut, wenn nicht, packen wir wieder ein.
Ja, die EXODUS-Reunion hat glaube ich bei vielen Leuten einen faden Nachgeschmack
hinterlassen. Wie siehst du, als Fan der ersten Stunde, die ganze Sache?
Ich denke, die Leute hatten sich einfach auseinandergelebt und haben die ganze
Sache wohl nur gemacht, um noch mal ein bisschen Erfolg zu haben. Es ging wohl
auch um Geld: Paul Baloff war ja damals obdachlos und auch der Gitarrist hat
auf der Straße gelebt. Denen ging es glaub ich richtig schlecht. Da haben sie
die Chance gesehen, noch einmal Fuß zu fassen. Aber wenn man in der Band nicht
klarkommt, kannst du keine Platten machen und auch nicht touren. Das sieht man
immer wieder und deshalb gibt es auch so viele Splits.
Man wundert sich aber auch manch mal, wie viele Reunionen es demgegenüber gibt...
Ja, das läuft dann so, dass die Veranstalter jede Menge Geld bezahlen, damit
sich irgendeine Band wieder zusammenrauft. Da ist man dann ganz schön geblendet
und verliert den Blick für die Wahrheit, nämlich, dass man als Band gar nicht
mehr funktioniert. In Wacken zum Beispiel haben ja CULPRIT gespielt; da habe
ich mir als großer CULPRIT-Fan gesagt: „Das funktioniert nicht, die sind zu
lange raus, die kennt kein Arsch mehr.“ Anscheinend war es aber doch ganz geil.
Ich habe die leider verpasst. Aber EXUMER waren großartig. Obwohl ich immer
– auch an mir selber – schade finde, dass man dann immer so auf die alten Sachen
fixiert ist. Man tut sich als Fan bei seinen alten Helden halt immer schwer,
ihnen eine Weiterentwicklung zuzugestehen. Fühlt man sich da als Künstler nicht
auch ganz schön eingeengt?
Auf jeden Fall. Bei „The Antichrist“ war es auch so, dass wir uns immer wieder
fragen mussten: „Ist das DESTRUCTION?“ Wir waren jedenfalls erleichtert, als
die Leute uns das bestätigt haben. Trotzdem muss man sich natürlich auch weiterentwickeln.
Wir spielen zwar immer noch den typischen DESTRUCTION-Thrash, wir haben uns
mit „The Antichrist“ aber als Musiker auch nach vorne bewegt.
Das „Antichrist“-Material knüpft ja nahtlos an die großen DESTRUCTION-Zeiten
an, deshalb denke ich mal, dass kein DESTRUCTION-Fan der ersten Stunde mit euerm
neuen Material Schwierigkeiten haben wird.
Das hoffen wir doch mal.
Wann kamen eigentlich die ersten konkreten Pläne zur Reunion? Es gab schon seit
Mitte der Neunziger immer wieder ein paar Anfragen von irgendwelchen Fanzines
und ein paar Leuten aus der Szene, auch vom Mille von KREATOR.
Dann war ich irgendwann auf dieser Rock Hard-Fete und da haben mich ziemlich
viele Leute vollgequatscht, die meinten: „Probier’s doch noch mal. Die Leute
sind echt heiß drauf!“
Dann haben Mike und ich eigentlich erst das erste Mal drüber geredet. Aber erst
ein halbes Jahr später wurde es wirklich konkret.
Mir stellt sich die Frage, warum ihr, wenn ihr schon ne Reunion macht, nicht
den Tommy (Ur-Schlagwerker von DESTRUCTION., d. Verf) mit ins Boot genommen
habt. Der kann doch nicht mehr, der hat ja auch schon längst aufgehört mit Schlagzeugspielen.
Aber er war erste Wahl, ganz klar. Ich hatte ihn auch gefragt, aber er wollte
nicht. Der Sven hat sich ja dann gemeldet, das war natürlich ein echter Glücksfall
für euch.
Ja, den Sven kannte ich schon länger, er war auch immer ein Riesen-DESTRUCTION-Fan.
Ich habe ihm ein paar Tipps gegeben. Bei den Auditions war er später oft dabei
und der Mike war von Anfang an sehr überzeugt von ihm. Auch vom musikalischen
Background her passte es, denn er kommt ja aus der Thrash-Ecke und kann die
ganzen Two-Beat-Sachen gut spielen.
Ich könnte mir vorstellen, dass der Altersunterschied von 10/15 Jahren (genaue
Zahlen liegen leider nicht vor..., d. Verf.) von Zeit zu Zeit ein Problem sein
könnte; vor allem dann, wenn ihr in Interviews immer über alte Zeiten reden
müsst...
Ja, da kann ich ihm aber nicht bei helfen. Er muss halt durch sein Spiel überzeugen
und die Fans für sich gewinnen. Es stellt sich halt die Frage, ob er es verkraftet
oder nicht. (Wohl nicht, denn Sven hat vor einigen Wochen die Band aus persönlichen
Gründen verlassen. Näheres dazu auf www.destruction.de, d. Verf.)
Es gab ja auch nicht wenig Kritik an euern ersten Auftritten... Ja stimmt ja
auch. Die ersten Auftritte waren ja nicht so doll.
Sven hat aber späterhin und vor allem im Studio einen Super-Job an den Fellen
gemacht. Das ist Power-Drumming der besten Sorte.
Ja, er hat sich wirklich extrem verbessert.
Wirfst du als eingefleischter Thrash-Fan eigentlich auch mal ein Auge auf den
Underground?
Ja kommt drauf an, wie tief es in den Underground reingeht. In letzter Zeit
läuft in den kleinen Jugendzentren jede Menge Thrash. Besonders im deutschen
Underground tut sich Thrash Metal-mäßig eine ganze Menge.
Ja und mir fällt auch auf, dass viele Death- und Black Metal-Bands ihren Sound
modifizieren und sich wieder an den Sounds der frühen Achziger orientieren.
Die neue DEW-SCENTED zum Beispiel ist ein lupenreines Thrash Album a la old
SLAYER geworden. Das Teil killt!!!
Letztens war ich in Norwegen und da habe ich einige Bands gesehen, wo Black
Metal-Musiker mitwirkten, die sich aber klar an den alten Thrash-Sachen orientierten.
FROST von SATYRICON hat da so’n Projekt am laufen...
...ich denke sowieso, dass gerade SATYRICON sehr von den alten DESTRUCTION beeinflusst
sind. Man denke nur an die phänomenale „Nemesis Divina“-Scheibe...
...ja der FROST hat auch zugegeben, dass sie auf der Platte ein Riff von uns
geklaut haben...!
Aber auch auf der letzten IMMORTAL und der DIMMU BORGIR sind jede Menge Thrash-Riffs
drauf. Der Thrash Metal kommt wieder!!! KREATOR haben ja auch gerade ein sehr
starkes neues Album veröffentlicht.
Ja, „Violent Revolution“ ist ein Hammer geworden. Ein Hit jagt den nächsten.
Der Mille war ja auch maßgeblich an unserer Reunion beteiligt. Deshalb wohl
auch die nette Hommage an „Pleasure To Kill“ bei „Thrash `Till Death“?
Ja genau.
Ich würde jetzt noch mal gerne über die Texte sprechen. Auf eurer ersten Platte
ward ihr ja ganz klar von der Aussage und der Aufmachung her in der Tod-und-Teufel-Ecke.
Du hast aber dann auch schon frühzeitig angefangen über sozialkritische Themen
zu schreiben. „Sick Society“ ist zum Beispiel eine von den Formulierungen, die
immer wieder auftauchen.
Ja, das ist eine von meinen Lieblingsformulierungen.
Was störte und was stört dich denn an dieser unseren Gesellschaft und wo siehst
du die entscheidenden Konflikte?
Mich stört diese ganze Limitierung und auch, dass wir „geleitet“ werden, uns
zum Teil gar keine eigene Meinung mehr bilden können. Versuchen wir es trotzdem
werden wir von der Gesellschaft gleich ausgegrenzt. Ich finde es ziemlich übel,
dass man heutzutage so unterm Hammer steht. Das ganze nennt sich zwar „Demokratie“,
aber demokratisch ist das System doch nicht wirklich. Es gibt jeden Tag genug
Anlässe angepisst zu sein, musst nur deine Augen aufmachen. Politisches und
soziales Engagement gehörte bei euch immer irgendwie dazu.
Ja, wir sind halt mit dem Punk großgeworden. Ich bin zwar kein großer Freund
von diesem ewigen anprangern und moralisieren, aber man sollte doch als Metal-Band
ruhig mal sagen dürfen, was einen stört. Wichtig ist, dass die Leute wissen,
wo du stehst und was du zu sagen hast. Auf „The Antichrist“ beziehen sich zum
Beispiel viele Texte auf Religionsfragen. Ja, du hast schon immer gern gegen
die Kirche gewettert. Klar, ich meine guck dich doch um, guck nach England,
guck nach Spanien, oder in den Nahen Osten. Die meisten Kriege haben doch immer
einen religiösen Hintergrund. Das ist im Jahr 2001 genau so wie vor 500 Jahren.
Das ist alles so krank. Religion ist meiner Meinung nach nur für Menschen, die
nichts Besseres zu tun haben und an irgendwas glauben müssen. Die brauchen ihren
Halt, aber für mich haben alle Religionen viel Blut an den Händen, das kann
ich nicht unterstützen, gerade auch dann nicht, wenn man in einem religiösen
Umfeld groß geworden ist. Ich bin halt sehr christlich erzogen worden und irgendwann
habe ich gemerkt, was das alles für eine Scheiße ist.
Also bezieht „The Antichrist“ einfach klar Stellung gegen Kirche und Klerus
und meint nicht den gehörnten Höllenfürsten...
Eben. Wir waren nie Satanisten, auch wenn das viele Leute immer gerne glauben
wollten.
Auf unseren alten Scheiben konnten wir uns allerdings noch nicht so gut ausdrücken.
Erst ab „Eternal Devastation“ wurden meine Texte eigentlich lesbar...
Du machst gerne auch private Dinge zum Gegenstand deiner Texte. Ich finde, wenn
Fans deine Platte kaufen, haben sie auch das recht, etwas über dich zu erfahren.
über dich als Mensch und Person. Dadurch wird das Ganze auch interessant.
Mir ist dieser persönliche Bezug halt total wichtig. Man schreibt die Musik
mit Emotionen, also muss man die Texte auch mit Emotionen schreiben.
Wenn man sich mal auf eurer (übrigens sehr fetten) Homepage umsieht, fällt überhaupt
die Fannähe auf. Du nimmst dir ja tatsächlich die Zeit, Forumeinträge persönlich
zu beantworten. Ja, ich gebe mir echt Mühe, jede Anfrage zu beantworten. Sogar
auf Tour habe ich ein Laptop dabei.
Daran sollten sich mal einige Herren Superstars ein Beispiel nehmen.
Und jetzt das Dessert...