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Destruction

Was tun, wenn man seine Herzdame an einem lauschigen Herbstabend zum Dinner geladen hat, sie bereits lasziv auf dem samtenen Kanapee Platz genommen, einen Kristallkelch mit schwerem rotem Weine gefüllt anmutig an die Lippen führt und mit heißem Hauch die Düfte lobt,

die aus der geschlossenen Küchentür wabern – Du selbst mit hungrigen Gedanken an das duftende Dessert die Zutaten für die italienische Speise noch einmal nervös umherrückst während du dem Hefeteig harrst, der seit Stunden schon im Kühlfach lagert und der sich längst schon bebend deiner kunstfertigen Hand hätte entgegenwölben müssen – Was also tun, wenn die Schöne im Salon sich bereits ungeduldig in den Kissen räkelt und gierig Trauben und Nüsse verschlingt, die du eigentlich nur der Zierde wegen auf dem Marmortisch angerichtet, während die letzten Tropfen Wein durch ihre dürstende Kehle rinnen und du immer noch in der Küche kauerst und hoffst, dass der Pizzateig vielleicht doch noch...doch nein: hingesunken und verschrumpelt dorrt das Gemisch am Grunde der Kasserole. Im Salon sinkt die Schöne vor Hunger bleich vom Kaftan und windet sich knurrend auf den Bodenfliesen. „Da kann nur einer helfen...“ denke ich mir, starr vor Angst dass es mit dem mit pochendem Verlangen ersehnten Nachtisch nichts werden könnte, schnappe mir den Telefonhörer und...
Hallo?
Schmier, du kannst dir ja denken, was ich dich als Allererstes fragen werde...
Nee...?
Natürlich frage ich nach dem Rezept für den ultimativen und immer gelingenden Pizzateig.
Das ist nicht dein Ernst jetzt, oder?
Doch!
Also wichtig ist auf jeden Fall, dass man nicht zu viel Hefe nimmt, und wichtig ist auch, dass man ein bisschen Olivenöl reinmacht. Das macht den Teig nämlich schön geschmeidig. Dann muss man ihn lange stehen lassen.
Ich stelle ihn immer in den Backofen...
Ja, genau, wenn du den Backofen ein bisschen vorheizt, kannst du ihn da schön gehen lassen.
Und bei welchem Schlachter hast du früher immer die Zutaten gekauft? He, he, he.
Ho, ho, ho, ich glaube, das war so’n dicker Mann mit Glatze…
Ja, das hab ich mir gedacht, hu hu, hu.
Ha, ha, ha.
Jetzt mal ernsthaft: Mir ist zu Ohren gekommen, dass du nebenbei auch ein bisschen Musik machst.
Ja, ab und zu mal.
...Und jetzt habe ich grad die neue DESTRUCTION-Scheibe in meinem Player liegen und krieg sie da beim besten Willen auch nicht mehr raus.
Das klingt gut!
Ja, das Teil ist ein Hammer. Ich würde sagen: es ist ein lupenreines DESTRUCTION-Album. Der urtypische DESTRUCTION-Sound der 1980er im 2000er Gewand.
Ja, das schreiben im Moment viele. Ich selber kann das immer schlecht beurteilen. Wir reißen uns den Arsch immer auf, um ne gute Platte zu machen; und es ist cool, wenn die Leute sagen, es ist eine gute Platte geworden. Und jetzt sagen viele Leute, dass sie halt in der Tradition der alten Platten steht; es gibt sogar welche, die schon behaupten: „Das ist der neue DESTRUCTION-Klassiker!“. Danke, das freut mich natürlich tierisch, wenn die Leute da so drauf reagieren, denn das Vermächtnis der Band ist riesig, und an eine Platte wie „Infernal Overkill“ ist schwer ranzukommen. Wenn jetzt die Leute sagen: „Beste DESTRUCTION-Platte“ das ist wirklich klasse.
Wo siehst du denn die größten Unterschiede zum Vorgänger?
Ich glaube, die Band ist eine Band geworden in der Zeit. Wir sind viel getourt und durch die Tourerfahrung sind wir viel tighter geworden, als Band, aber auch vom spielerischen her, wir kommen jetzt schneller auf den Punkt; auf der letzten Platte waren wir noch sehr verspielt und auch nicht ganz so entschlossen, wie diesmal. Ja, nach 10 Jahren...Mike hat ja lange etwas anderes gemacht, ich habe mein HEADHUNTER-Ding durchgezogen, da war es am Anfang nicht ganz klar, in welche Richtung wir gehen. Ich und Mike haben uns dann immer gefragt: „Klingt das jetzt nach DESTRUCTION?“. Also die Tour hat die Band zusammengeschweißt. Ich glaube, keiner macht ne ultimative Platte nach 10 Jahren Abwesenheit aus der Szene, das ist ganz klar.
Du stehst der letzten Platte also auch kritisch gegenüber, du sagst ja, dass es da Sachen gibt, die man besser hätte machen können!?
Ja, so sehe ich das. Es gab da halt einige Sachen, die man verbessern konnte, und das haben wir auch getan.
Viele haben auch am Sound rumgemäkelt, was ich nicht ganz nachvollziehen konnte.
Ich glaube, das waren die Leute, die unverbesserlich an den alten Sachen orientiert waren. Natürlich trug der Sound auf „All Hell Breaks Loose“ klar Tägtgren’s Handschrift und wir wollten ja auch einen extremen Gitarrensound, n harten Sound haben, und deswegen verstehe ich nicht, warum diverse Leute so rumgemäkelt haben. Aber klar: die alten Klassiker sind das Vermächtnis und daran muss man sich dann eben auch messen lassen, ganz klar.
Klar.
Aber ich glaube, dass auch viele junge Fans durch „All Hell Breaks Loose“ auf DESTRUCTION gestoßen sind und mit dem neuen Sound mehr anfangen konnten als die alten Fans; die also quasi durch den neuen Sound an DESTRUCTION herangeführt worden sind. Ich meine Leute, die früher Death- oder Black Metal gehört haben und dann gesagt haben: „Wow! Tägtgren-Produktion, Destruction...hör ich mir mal an.“ Ich glaube, wir haben auch jede Menge neue Fans gewonnen.
Ich finde, dass ihr endlich mal einen guten und fetten Sound bekommen habt. Auf euren alten Platten hatte ich oft das Gefühl, dass die Leute im Studio, aber auch ihr selbst, den Sound nie so richtig in den Griff bekommen habt.
Ja, das war damals ein Problem. Unsere Sound-Engineerer waren damals nie so erfahren, was Metal anbelangt. Die hatten dann vorher irgendwelchen Deutsch-Rock produziert. Mittlerweile haben wir ja 20 Jahre Metal hinter uns, und jetzt wissen wir, wie’s klingen muss.
Einige verstehen „The Antichrist“ als das eigentliche DESTRUCTION-Come Back-Album.
Würdest du das ähnlich sehen, denn du sagst ja, dass auf „All Hell Breaks Loose“ noch nicht alles hundertprozentig stimmte? Ja und Nein. „All Hell...“ war auf jeden Fall der Schritt in die richtige Richtung. Es wäre schade gewesen, wenn wir danach wieder in der Versenkung verschwunden wären, wie so viele andere Bands auch. Aber auf jeden Fall ist „The Antichrist“ das stärkere Album. Es hat halt die typischen DESTRUCTION-Trademarks zu bieten, es ist technisch besser; überhaupt haben wir alles, was man hätte besser machen können, auf „The Antichrist“ verbessert.
Das sehe ich auch so. Für mich war das typische DESTRUCTION-Merkmal heute wie früher immer die Verbindung von den recht komplexen und vertrackten Gitarrenriffs von Mike mit straightem Bass und Drumming und natürlich dein unverwechselbarer aggressiver Gesang. Man könnte sagen: die perfekte Ergänzung. Das hört man bei „The Antichrist“ voll raus.
Ja, das war früher teilweise ein Problem. Aber mittlerweile arbeiten Mike und ich wieder super zusammen. Jeder schätzt den anderen und die Ideen werden zusammen angepackt. Das ist ein großer Vorteil. Sonst quält man sich beim Songwriting immer nur rum und dann kommt nichts Großes bei raus. Diesmal hat das Songschreiben richtig Spaß gemacht.
Das hört man auch raus. Alles klingt frisch und unverbraucht. Tight und aggressiv.
Ja genau. Das ist auch total wichtig, wie und wo die Songs entstehen. Da kannst du 10 mal ne tolle Produktion draufklatschen, wenn die Songs nicht richtig knallen, knallt die ganze Platte nicht.
Mir kommt es so vor, als wenn du und Mike so etwas wie die beiden „Pole“ von DESTRUCTION verkörpern würden. Man könnte auch sagen: Mike ist der Kopf und du bist der Bauch... Ja, das kann man so sagen. Ich bin eher für die straighteren Sachen verantwortlich, auch für die Sachen, die dann mehr oder weniger zum Gesang passen; und Mike bringt dann eben seine typischen Riff-Monster an. Manchmal muss man ihn auch richtig bremsen, wenn er übermotiviert ist. Er sieht aber auch, dass unsere Ideen super zusammen passen und er verlässt sich dann in gewissen Bereichen auf mich und ich mich auf ihn. Das tragende Riff kommt meistens von ihm und ich komponiere dann meistens meine Riffs und den Gesang drumherum.
Da fragt man sich doch, ob es hauptsächlich zwischen dir und Mike gekracht hatte, als es damals 1989 zum Split kam. Gab es da Meinungsverschiedenheiten über die musikalische Ausrichtung? Viele Köche verderben den Brei. Da waren ja noch die neuen Mitglieder Olli und Harry dabei und die hatten ja musikalisch einiges zu bieten. Da hat sich Mike auch sehr beeinflussen lassen von ihnen, weil die ihn ja unterstützt hatten mit seinem technischen Gefummel.
Der Bauch war da ganz allein gelassen.
Wir hatten halt drei, die nur frickeln wollten und daran ist die Band kaputt gegangen.
Du würdest also sagen, dass „Release From Agony“ schon nicht mehr so toll war?
Ja, da gab es schon Zoff. Schon beim Einspielen der Songs gab es Trouble und da war ich beim Einsingen schon sehr unzufrieden mit diversen Gitarrenläufen und Drumtracks; das war teilweise viel zu überladen. Aber da stand ich alleine da. Gut der Produzent hatte das ähnlich gesehen und mich auch bestätigt, aber da war ja schon alles gelaufen.
Ich war damals der riesige DESTRUCTION-Fan und eigentlich haben wir Fans die Platte sehr wohlwollend aufgenommen. Wir haben den großen Bruch zu den alten Sachen gar nicht so wahrgenommen. Ich hatte das Gefühl, dass ihr auch schon vorher, auf „Eternal Devastation“ ein bisschen in diese Richtung gehen wolltet.
Der Vorteil von „Release From Agony“ war, dass ein paar tolle Leads und Riffs vom Harry drauf waren. Aber Olli hatte ja immer versucht, alles so extrem jazzig zu spielen. Er ist halt ein alter Jazzer und wollte nicht immer Ufta-Ufta spielen. Er ist ja auch mit diesem ganzen Zeug nicht großgeworden, diese ganzen Two-Beat-Sachen, die gaben ihm halt nicht so viel. Das Album hat eine sehr düstere Atmosphäre. Kann das sein, das man diese Unstimmigkeiten da schon raushören konnte? Klar, kann schon sein.
Daraufhin war ja Schluss mit DESTRUCTION, zumindest für dich...denn Mike hat ja weitergemacht. Und da kam ja als erstes das „Cracked Brain“-Album heraus. Warst du eigentlich an den Aufnahmen noch beteiligt?
Ja, ein paar Titel stammten noch von mir und eben noch ein paar andere Sachen wurden übernommen. Ich habe ja auch noch auf den Demos mitgewirkt und die Jungs auch ziemlich unter Druck gesetzt, dass die Songs auch straighter werden. Die haben dann tatsächlich auch noch ein bisschen was verändert und wenn du das Demo mit dem Endprodukt vergleichst, ist das Demo echt noch schlimmer. Das war total frickelig, „Cracked Brain“ ist richtig straight dagegen.
Du sagst ja immer, das Album sei nicht dein cup-of-tea, ich finde aber, dass tatsächlich ein paar Songs drauf sind, die man sich absolut anhören kann.
Doch, doch. Also du musst dir die Originalsachen anhören. Wir haben uns damals zerstritten, vor allem an dem frickeligen Kram. Dann haben die Jungs hinterher doch gemerkt, dass sie ein bisschen straighter werden müssen und hatten das auch soweit umgesetzt. Auch durch den Produzenten, der ja vorher mit MOTöRHEAD gearbeitet hatte. Ich war die ersten zwei Wochen im Studio ja noch dabei damals...
Die Texte waren noch von dir?
Nee, die hat der Olli dann neu gemacht. Ich hatte damals im Studio gesagt: „Leute, das haut nicht hin, das passt nicht in das Konzept von DESTRUCTION.“ Und da haben wir uns richtig in die Haare gekriegt.
Ja, dann kam ja für dich der Sänger von POLTERGEIST. Und ich finde das ist genau das Problem: Der Gesang auf „Cracked Brain“ ist sehr blass. Man erwartet eben deine Röhre. Ja, er war ein guter Sänger, aber er hat halt eben nicht die DESTRUCTION-Stimme.
Die haben ja damals auch mit dem Mann von ARTILLERY zusammengearbeitet; der hätte die Platte auch um ein Haar gemacht. Das hat aber dann doch nicht geklappt.
Danach fristeten DESTRUCTION ja so eine Art Schattendasein. Eigenproduktionen, vereinzelte Auftritte in kleinen Clubs und auch Anschluss an modernere Sounds.
Hast du das Ganze eigentlich mitverfolgt?
Ja, klar. So mit einem Ohr halt. Es interessiert dich schon, was deine Ex-Kumpels so machen. Ich habe da gemerkt, dass sich die Band immer weiter von ihren Roots entfernte. Technisch und spielerisch super; aber die Songs haben einfach nicht geknallt. Außerdem war mit dem Mike ja eigentlich nur ein Urmitglied dabei. Die anderen kamen ja mehr aus dem experimentellen Metal-Bereich mit ihrer Band, das ergab dann echt ne komische Mischung.
Hatte ja eben nur ein Fünftel mit DESTRUCTION zu tun.
Live haben sie zwar auch altes DESTRUCTION-Material gebracht, man musste sich aber sehr anstrengen, um das rauszuhören. Hätte ich gern mal gehört.
Du selbst hast dann ja ziemlich schnell mit HEADHUNTER ne neue Band hochgezogen.
Kam das direkt nach deinem Rausschmiss?
Ja. Ich habe kurz nach dem Rausschmiss hochmotiviert angefangen, Songs zu schreiben.
Die Platte („Parody Of Life“, der Verf.) kam recht schnell raus...
Ja, ich hatte das Glück, schnell einen guten Gitarristen (Ein Mann namens „Schmuddel“, d. Verf.) gefunden zu haben... Und einen verdammt geilen Drummer (Jörg Michael, der Verf.)... Ja, wir waren schon länger befreundet. Er hatte halt damals schon gesagt, er würde gern mal mit DESTRUCTION spielen. Als er damals noch bei RAGE und MEKONG DELTA war, hatte er immer gemeint, er würde so gern mal „Bestial Invasion“ live spielen. Hat er dann ja auch geschafft. Ich hab euch 1992 mal live gesehen, da habt ihr’s mit HEADHUNTER ja auch gespielt. Fand ich klasse. War das eigentlich auch so eine Art ausgestreckter Mittelfinger Richtung alte Bandkollegen; so nach dem Motto: „Jetzt zeig ich’s euch!“?
Ja natürlich. Wir haben das zwar schon vermieden, dass wir das gleiche machen wie DESTRUCTION, aber irgendwo waren Parallelen da; durch die Stimme vor allem.
Aber unser Gitarrist, der kam ja aus einer total anderen Ecke, der war totaler PRIEST-Fan. Deshalb war HEADHUNTER eine Mischung aus PRIEST-Sachen mit DESTRUCTION-Elementen. Der hat ja eine schlimme Verletzung gehabt...
Der hat einen schweren Autounfall gehabt. Der konnte seinen Arm ziemlich lange nicht bewegen.
Und wie geht es ihm heute? Kann er wieder spielen? Ja, der spielt wieder. Wir haben auch Kontakt. Komischerweise gibt es jetzt auch wieder Anfragen, wann wir denn mal wieder ein paar HEADHUNTER-Sachen spielen...
Ja, das wär’s doch...
Ja, aber ich habe keinen Bock DESTRUCTION und HEADHUNTER zu vermischen.
HEADHUNTER hatte meiner Meinung nach ein eigene Bandidentität. Im Gegensatz zu DESTRUCTION ging es hier doch viel um Rock’nRoll und Fun, oder?
Ja, das war die logische Konsequenz aus dem ganzen Gerangel mit DESTRUCTION.
Da wurde ein Song in Monaten geschrieben, das war grausam. Bei HEADHUNTER war die Devise: „Spaß haben!“. Das hat man auch rausgehört. Vielleicht war es teilweise ein bisschen übertrieben, das haben uns viele Leute vorgeworfen. Aber für mich war es ein Ausbrechen aus dem ganzen Frust damals. Es gab ja auch ultra-aggressive HEADHUNTER-Songs; „Signs Of Insanity“ von der „A Bizarre Gardening Accident“-Scheibe zum Beispiel. Desöfteren wurde ich übrigens beim Hören von „The Antichrist“ auch an diesen Track erinnert...
Ja, ist schon komisch. Ich kann das schlecht beurteilen. Man schreibt den Kram; man hat irgendwo seine Roots und die kann man auch nicht verleugnen. Ich finde aber auch: zum Beispiel der Mittelteil von „Nailed To The Cross“, der klingt auch ein bisschen nach HEADHUNTER.

Ich finde das sehr erfrischend.
Bei uns ist das echt klasse im Moment. Jeder kann sich einbringen. Es gibt keinen, der sagt: „Ich spiele dein Riff nicht!“. Es gibt diesen Kinderkram wie früher nicht mehr, man arbeitet die Sachen zusammen aus und hat denn auch viel schneller ein Produkt in der Hand. Das ist der große Vorteil, deswegen haben wir es auch geschafft, in so kurzer Zeit eine so hochwertige Platte wie „The Antichrist“ zu machen, obwohl wir viel getourt sind.
Ich finde es auch sehr wichtig, dass, wenn eine Band sich wieder ins Bewusstsein bringen will, sie dann auch etwas Neues bringt und nicht nur die alten Sachen rauf- und runterspielt. Das war uns von Anfang an klar. Als wir gesehen haben, was alle anderen Bands gemacht haben, EXODUS und METAL CHURCH zum Beispiel: Liveplatten (ächz), da haben wir uns gesagt: „Auf keinen Fall machen wir eine Liveplatte!“. Wir machen ne neue Platte; und wenn wir es schaffen, die Leute zu überzeugen, ist gut, wenn nicht, packen wir wieder ein.
Ja, die EXODUS-Reunion hat glaube ich bei vielen Leuten einen faden Nachgeschmack hinterlassen. Wie siehst du, als Fan der ersten Stunde, die ganze Sache?
Ich denke, die Leute hatten sich einfach auseinandergelebt und haben die ganze Sache wohl nur gemacht, um noch mal ein bisschen Erfolg zu haben. Es ging wohl auch um Geld: Paul Baloff war ja damals obdachlos und auch der Gitarrist hat auf der Straße gelebt. Denen ging es glaub ich richtig schlecht. Da haben sie die Chance gesehen, noch einmal Fuß zu fassen. Aber wenn man in der Band nicht klarkommt, kannst du keine Platten machen und auch nicht touren. Das sieht man immer wieder und deshalb gibt es auch so viele Splits.
Man wundert sich aber auch manch mal, wie viele Reunionen es demgegenüber gibt...
Ja, das läuft dann so, dass die Veranstalter jede Menge Geld bezahlen, damit sich irgendeine Band wieder zusammenrauft. Da ist man dann ganz schön geblendet und verliert den Blick für die Wahrheit, nämlich, dass man als Band gar nicht mehr funktioniert. In Wacken zum Beispiel haben ja CULPRIT gespielt; da habe ich mir als großer CULPRIT-Fan gesagt: „Das funktioniert nicht, die sind zu lange raus, die kennt kein Arsch mehr.“ Anscheinend war es aber doch ganz geil.
Ich habe die leider verpasst. Aber EXUMER waren großartig. Obwohl ich immer – auch an mir selber – schade finde, dass man dann immer so auf die alten Sachen fixiert ist. Man tut sich als Fan bei seinen alten Helden halt immer schwer, ihnen eine Weiterentwicklung zuzugestehen. Fühlt man sich da als Künstler nicht auch ganz schön eingeengt?
Auf jeden Fall. Bei „The Antichrist“ war es auch so, dass wir uns immer wieder fragen mussten: „Ist das DESTRUCTION?“ Wir waren jedenfalls erleichtert, als die Leute uns das bestätigt haben. Trotzdem muss man sich natürlich auch weiterentwickeln. Wir spielen zwar immer noch den typischen DESTRUCTION-Thrash, wir haben uns mit „The Antichrist“ aber als Musiker auch nach vorne bewegt.
Das „Antichrist“-Material knüpft ja nahtlos an die großen DESTRUCTION-Zeiten an, deshalb denke ich mal, dass kein DESTRUCTION-Fan der ersten Stunde mit euerm neuen Material Schwierigkeiten haben wird.
Das hoffen wir doch mal.
Wann kamen eigentlich die ersten konkreten Pläne zur Reunion? Es gab schon seit Mitte der Neunziger immer wieder ein paar Anfragen von irgendwelchen Fanzines und ein paar Leuten aus der Szene, auch vom Mille von KREATOR.
Dann war ich irgendwann auf dieser Rock Hard-Fete und da haben mich ziemlich viele Leute vollgequatscht, die meinten: „Probier’s doch noch mal. Die Leute sind echt heiß drauf!“
Dann haben Mike und ich eigentlich erst das erste Mal drüber geredet. Aber erst ein halbes Jahr später wurde es wirklich konkret.
Mir stellt sich die Frage, warum ihr, wenn ihr schon ne Reunion macht, nicht den Tommy (Ur-Schlagwerker von DESTRUCTION., d. Verf) mit ins Boot genommen habt. Der kann doch nicht mehr, der hat ja auch schon längst aufgehört mit Schlagzeugspielen. Aber er war erste Wahl, ganz klar. Ich hatte ihn auch gefragt, aber er wollte nicht. Der Sven hat sich ja dann gemeldet, das war natürlich ein echter Glücksfall für euch.
Ja, den Sven kannte ich schon länger, er war auch immer ein Riesen-DESTRUCTION-Fan. Ich habe ihm ein paar Tipps gegeben. Bei den Auditions war er später oft dabei und der Mike war von Anfang an sehr überzeugt von ihm. Auch vom musikalischen Background her passte es, denn er kommt ja aus der Thrash-Ecke und kann die ganzen Two-Beat-Sachen gut spielen.
Ich könnte mir vorstellen, dass der Altersunterschied von 10/15 Jahren (genaue Zahlen liegen leider nicht vor..., d. Verf.) von Zeit zu Zeit ein Problem sein könnte; vor allem dann, wenn ihr in Interviews immer über alte Zeiten reden müsst...
Ja, da kann ich ihm aber nicht bei helfen. Er muss halt durch sein Spiel überzeugen und die Fans für sich gewinnen. Es stellt sich halt die Frage, ob er es verkraftet oder nicht. (Wohl nicht, denn Sven hat vor einigen Wochen die Band aus persönlichen Gründen verlassen. Näheres dazu auf www.destruction.de, d. Verf.)
Es gab ja auch nicht wenig Kritik an euern ersten Auftritten... Ja stimmt ja auch. Die ersten Auftritte waren ja nicht so doll.
Sven hat aber späterhin und vor allem im Studio einen Super-Job an den Fellen gemacht. Das ist Power-Drumming der besten Sorte.
Ja, er hat sich wirklich extrem verbessert.
Wirfst du als eingefleischter Thrash-Fan eigentlich auch mal ein Auge auf den Underground?
Ja kommt drauf an, wie tief es in den Underground reingeht. In letzter Zeit läuft in den kleinen Jugendzentren jede Menge Thrash. Besonders im deutschen Underground tut sich Thrash Metal-mäßig eine ganze Menge.
Ja und mir fällt auch auf, dass viele Death- und Black Metal-Bands ihren Sound modifizieren und sich wieder an den Sounds der frühen Achziger orientieren. Die neue DEW-SCENTED zum Beispiel ist ein lupenreines Thrash Album a la old SLAYER geworden. Das Teil killt!!!
Letztens war ich in Norwegen und da habe ich einige Bands gesehen, wo Black Metal-Musiker mitwirkten, die sich aber klar an den alten Thrash-Sachen orientierten. FROST von SATYRICON hat da so’n Projekt am laufen...
...ich denke sowieso, dass gerade SATYRICON sehr von den alten DESTRUCTION beeinflusst sind. Man denke nur an die phänomenale „Nemesis Divina“-Scheibe...
...ja der FROST hat auch zugegeben, dass sie auf der Platte ein Riff von uns geklaut haben...!
Aber auch auf der letzten IMMORTAL und der DIMMU BORGIR sind jede Menge Thrash-Riffs drauf. Der Thrash Metal kommt wieder!!! KREATOR haben ja auch gerade ein sehr starkes neues Album veröffentlicht.
Ja, „Violent Revolution“ ist ein Hammer geworden. Ein Hit jagt den nächsten.
Der Mille war ja auch maßgeblich an unserer Reunion beteiligt. Deshalb wohl auch die nette Hommage an „Pleasure To Kill“ bei „Thrash `Till Death“?
Ja genau.
Ich würde jetzt noch mal gerne über die Texte sprechen. Auf eurer ersten Platte ward ihr ja ganz klar von der Aussage und der Aufmachung her in der Tod-und-Teufel-Ecke.
Du hast aber dann auch schon frühzeitig angefangen über sozialkritische Themen zu schreiben. „Sick Society“ ist zum Beispiel eine von den Formulierungen, die immer wieder auftauchen.
Ja, das ist eine von meinen Lieblingsformulierungen.
Was störte und was stört dich denn an dieser unseren Gesellschaft und wo siehst du die entscheidenden Konflikte?
Mich stört diese ganze Limitierung und auch, dass wir „geleitet“ werden, uns zum Teil gar keine eigene Meinung mehr bilden können. Versuchen wir es trotzdem werden wir von der Gesellschaft gleich ausgegrenzt. Ich finde es ziemlich übel, dass man heutzutage so unterm Hammer steht. Das ganze nennt sich zwar „Demokratie“, aber demokratisch ist das System doch nicht wirklich. Es gibt jeden Tag genug Anlässe angepisst zu sein, musst nur deine Augen aufmachen. Politisches und soziales Engagement gehörte bei euch immer irgendwie dazu.
Ja, wir sind halt mit dem Punk großgeworden. Ich bin zwar kein großer Freund von diesem ewigen anprangern und moralisieren, aber man sollte doch als Metal-Band ruhig mal sagen dürfen, was einen stört. Wichtig ist, dass die Leute wissen, wo du stehst und was du zu sagen hast. Auf „The Antichrist“ beziehen sich zum Beispiel viele Texte auf Religionsfragen. Ja, du hast schon immer gern gegen die Kirche gewettert. Klar, ich meine guck dich doch um, guck nach England, guck nach Spanien, oder in den Nahen Osten. Die meisten Kriege haben doch immer einen religiösen Hintergrund. Das ist im Jahr 2001 genau so wie vor 500 Jahren. Das ist alles so krank. Religion ist meiner Meinung nach nur für Menschen, die nichts Besseres zu tun haben und an irgendwas glauben müssen. Die brauchen ihren Halt, aber für mich haben alle Religionen viel Blut an den Händen, das kann ich nicht unterstützen, gerade auch dann nicht, wenn man in einem religiösen Umfeld groß geworden ist. Ich bin halt sehr christlich erzogen worden und irgendwann habe ich gemerkt, was das alles für eine Scheiße ist.
Also bezieht „The Antichrist“ einfach klar Stellung gegen Kirche und Klerus und meint nicht den gehörnten Höllenfürsten...
Eben. Wir waren nie Satanisten, auch wenn das viele Leute immer gerne glauben wollten.
Auf unseren alten Scheiben konnten wir uns allerdings noch nicht so gut ausdrücken. Erst ab „Eternal Devastation“ wurden meine Texte eigentlich lesbar...
Du machst gerne auch private Dinge zum Gegenstand deiner Texte. Ich finde, wenn Fans deine Platte kaufen, haben sie auch das recht, etwas über dich zu erfahren. über dich als Mensch und Person. Dadurch wird das Ganze auch interessant.
Mir ist dieser persönliche Bezug halt total wichtig. Man schreibt die Musik mit Emotionen, also muss man die Texte auch mit Emotionen schreiben.
Wenn man sich mal auf eurer (übrigens sehr fetten) Homepage umsieht, fällt überhaupt die Fannähe auf. Du nimmst dir ja tatsächlich die Zeit, Forumeinträge persönlich zu beantworten. Ja, ich gebe mir echt Mühe, jede Anfrage zu beantworten. Sogar auf Tour habe ich ein Laptop dabei.
Daran sollten sich mal einige Herren Superstars ein Beispiel nehmen.
Und jetzt das Dessert...


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  • Erstellt am

    05. November 2002
  • Line Up

  • Redakteur

    Marcel Hübner
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