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Pyogenesis

He makes me wish I had a Koffein-Tablette...

Am frühen Abend des 14.6.

saß ich Flo Schwarz von PYOGENESIS im Backdoor-Bereich des Gießener MuK gegenüber, und es war ziemlich warm [Das ist zwar vollkommen nebensächlich, jedoch wird es das Positivste der gesamten Einleitung sein, weswegen ich nicht darauf verzeichen möchte]. Was man vor dem Lesen dieses Interviews wissen sollte, ist, dass Flo keinerlei Bock auf das Gespräch hatte, da er aufgrund einer durchgezechten Nacht und drei Stunden Schlaf am Vormittag hundemüde war. Zudem hatte er gerade erst den Soundcheck beendet und wollte eigentlich noch vor dem Konzert mit seinen Jungs ins Hotel fahren, wurde aber von einem aufdringlichen Twilight-Schreiber – der übrigens einen Termin für´s Interview hatte! – davon abgehalten. 18 Fragen hatte ich mir notiert, und worüber andere Musiker eine dreiviertel Stunde reden können, konnte ich ich Flo etwa 20-25 Minuten lang Antworten aus der Nase ziehen. Rekordverdächtig, nicht wahr? Ein bisschen schlauer bin ich aber schon geworden und möchte die erwähnenswerten Ergebnisse dieser Unterhaltung niemandem vorenthalten.

““She Makes Me Wish I Had A Gun” ist ganz bewusst wieder härter geworden als “Mono...”, da uns dieses Album im Nachhinein doch zu glattgeschliffen war,” meint Flo gleich zu Anfang auf meine Frage nach den Charakteristika des neuen Albums. “Damals wollten wir es zwar so, aber aus heutiger Sicht hätte ich mir schon ein paar harte Gitarren mehr gewünscht. Früher sind wir von Album zu Album stets softer geworden, und mit “She Makes...” gehen wir wieder einen Schritt back to the roots.” Die Roots liegen, wie vielleicht noch einige Leser wissen, im düster-atmosphärischen Metal, wobei auch schon auf “Sweet X-Rated Nothings”, dem ersten Full-Length-Album der Band, im positiven Sinne äußerst poppige Gitarren- und Gesangsmelodien eingeflochten wurden. Um Missverständnissen gleich vorzubeugen: das neue Album hat nichts mit dem alten Material am Hut! Flo hat auch kein besonderes Interesse daran, noch viel Worte über die Prä-Unpop-Zeit zu verlieren. ““Twinaleblood” – großartiges Album! “Sweet...” war eben unser erstes ganzes Album und eine Sache, aus der wir gelernt haben.”
Mit diesem Satz und – da bin ich mir ziemlich sicher – dem Wissen, eine völlig nichtssagende Antwort gegeben zu haben, schließt Flo dieses Thema ab.

Die lange Wartezeit sein “Mono...” – etwa dreieinhalb Jahre – hat sicherlich einige Fans (mich eingeschlossen...) PYOGENESIS fast vergessen lassen. Flo will dies nicht als eine bewusste Entscheidung verstanden wissen:
“Nach Veröffentlichung des letzten Albums waren wir erst einmal lange auf Tournee, und dann sind wir noch nach Hamburg gezogen und haben ein eigenes Label und einen Verlag gegründet. Irgendwann haben wir gemerkt, dass seit “Mono...” schon eine ganze Menge Zeit vergangen war und dass wir mal mit dem Songwriting für die nächste CD beginnen sollten.”
Soso, nach Hamburg gezogen... und das mit Kind und Kegel bzw. im Falle PYOGENESIS mit drei Mitmusikern und Merchandiser. Da man nicht alle Tage zu fünft aus Stuttgart in die norddeutsche Metropole zieht, ist hier erst einmal ein guter Grund fällig.
“Hamburg hat einfach in Sachen Rock wesentlich mehr zu bieten als Stuttgart... oder Gießen,” fällt meinem Gegenüber mit einem verachtenden Grinsen aus der Lippe. Witzig, Flo. Schon mal davon gehört, dass man Leute, die am Boden liegen, nicht noch in die Magengrube tritt? Doch der Wahl-Hamburg-Rocker fährt fort: “Mehr Clubs, mehr Konzerte, mehr Szene, mehr Bands, mehr Plattenfirmen... einfach von allem mehr, was mit Rock-Musik zu tun hat. Und das alles geballt in einer Stadt!”

Is´ ja gut...
Auch gehört Flo zu den wenigen glücklichen Menschen, die sich von ihrer Leidenschaft – der Musik – ernähren können, wie er mir mit einem kurzen aber zufriedenen Ja bestätigt.

“Neben der Band habe ich noch besagten Musikverlag und produziere darüber hinaus auch andere Gruppen. Unser Label wirft direkt nichts ab, da wir alles, was wir damit verdienen, wieder in Promotion und Marketing für PYOGENESIS stecken. Alles in allem verdiene ich aber mit der Band und den genannten Aktivitäten genug, um meine Miete zu bezahlen.” Sagt´s und grinst wieder zufrieden.

Obwohl “Mono...” schon weit über drei Jahre zurück liegt, gab es doch noch etwas, das den treuesten Fans der Band das Warten auf “She Makes...” versüßen sollte: die im vergangenen Jahr von Nuclear Blast veröffentlichte “P”-Compilation. “Eigentlich wollten Nuclear Blast ein PYOGENESIS-Best-Of”, setzt Flo sogleich ein, dem dieses Thema augenscheinlich überhaupt nicht schmeckt,
“aber soetwas interessiert tatsächlich niemanden, nicht einmal mich selbst, und ich spiele immerhin in der Band. Das Label wollte nach Ablauf des Vertrages das Material, das ihnen von uns zur Verfügung stand, noch einmal finanziell auswerten. Gegen ein Best-Of haben wir uns aber so stark gewehrt, dass aus der Idee letztendlich ein Remix-Album wurde. Zufrieden sind wir damit aber trotzdem auf keinen Fall. Gäbe es eine Möglichkeit, dies rückgängig zu machen, würde ich sie gerne wahrnehmen. Es tut mir wirklich für die Fans Leid, die diese CD für ein neues Album von uns gehalten haben; ihnen hätte ich “P” gerne erspart. Daher auch die Aufforderung im Booklet der CD, diese sofort zum Händler zurückzubringen und gegen eine andere Platte einzutauschen, wenn sie unter falschen Erwartungen gekauft worden sein sollte.”br> Um “She Makes...” auch den Musikfernsehen schmackhaft zu machen, wurden zu den Songs “Don´t You Say Maybe” und “I Feel Sexy” Videoclips gedreht. Und siehe da, in Windeseile eroberte erstgenannter Song die VivaPlus-Rock-Charts und kickte sogar Manowar von der Nr.1! über die Auswirkungen hiervon auf die weitere Sendefrequenz des Stückes kann mir Flo leider noch keine Antwort geben:
“Da der Song erst seit Dienstag (seit drei Tagen – Anm. d. Verf.) auf Platz 1 ist und ich seitdem auch noch keine Gelegenheit hatte fernzusehen, bin ich diesbezüglich überhaupt nicht informiert. Sorry.”
Obwohl “I Feel Sexy” schon im Vorfeld des Albums als Single bzw. Appetizer-EP für die Fans ausgekoppelt wurde, wird das bereits abgedrehte Video hierzu aber erst auf die Viva & Co. losgelassen, wenn sich “Don´t You...” totgedudelt hat. Doch die Album-Promotion wird noch weiter aufgesplittet: zur Radio-Bemusterung hat man nämlich den mit Abstand poppigsten Song des Albums ausgewählt: “Everyday”. Meine Anregung, dass es vielleicht effektiver gewesen wäre, hierfür einen Clip zu drehen und die gesamte Promo-Arbeit auf ein Lied zu konzentrieren, quittierte Flo nach kurzen Schweigen und unter zugestehendem Grinsen mit einem “Da könntest du Recht haben.” Auf ein weiteres Nachfragen von meiner Seite weiß der Frontmann aber sein Vorgehen zu rechtfertigen:
“Für die Clubs wollten wir einfach einen harten Song. “Everyday” hätte bestimmt niemand gespielt, weil es einfach zu soft ist.”
Meine im Review geäußerte Kritik bezüglich “Everyday” wollte ich auch Flo nicht vorenthalten und fragte ihn, ob PYOGENESIS den Song einzig für´s Radio komponiert hätten. Der gebürtige Schwabe wieselt sich aber geschickt aus der Frage heraus:
““Everyday” ist eigentlich ein Song wie jeder andere von PYOGENESIS auch. Er hat unsere typischen Melodien und ist lediglich im Vergleich zu den anderen Stücken etwas softer ausgefallen, weil wir mal eine andere Instrumentierung ausprobieren wollten. Weil das Lied letztendlich so geworden ist, haben wir uns entschieden, es an einige Radio-Stationen zu versenden.”
Und eine andere Intention wird man der Band wohl auch nicht nachweisen können... zumindest nicht in einem Interview. Und mal ehrlich: nach dem Erfolg, den die ehemaligen Pyo-Musiker Tim Eiermann und Wolle Meier vor nunmehr vier Jahren mit Liquido und dem Top10-Hit “Narcotic” hatten, wäre es schon verständlich, wenn auch PYOGENESIS nach etlichen Jahren mit massentauglicherer Musik ein kleines Stück vom großen Glück abhaben wollten. Flo sieht´s etwas anders:
“In der Zeit wo Liquido von 0 auf 100 durchgestartet sind und auch gleich wieder den Rückfall erlebt haben, machten wir einfach eine Pause. Ich habe den Werdegang Liquidos zwar mit Interesse verfolgt und gönne ihnen auch auf alle Fälle den damaligen Ruhm, aber das ist nun nichts wonach ich strebe. Außerdem war “Narcotic” auch der einzige große Erfolg von Liquido und das in erster Linie wegen seiner einprägsamen Keyboard-Linie. Und Keyboards gibt´s im Pyo-Sound zum Beispiel keine.”
Ok, das ist ein Argument, das Hand und Fuß hat... Auch die in ihrer Gesamtheit härtere Ausrichtung von “She Makes Me Wish I Had A Gun” ist laut Flo eine klares Indiz gegen eine übertriebene Neigung zur schnellen Mark... äh... Euro.
“Die “Mono...” ist unsere bis dato erfolgreichste Platte, und dennoch knüpfen wir nicht direkt daran an, sondern gehen in die eher unkommerziellere Richtung. Natürlich ist es für einen Musiker schön, mit seinen Liedern ein paar Mark (... – Anm. d. Verf.) dazu zu verdienen, aber unser Schritt mit dem neuen Album zeigt auch, dass Geld nicht alles ist. Oder die Tatsache, dass wir die Platte auf einem eigenen Label veröffentlichen anstatt uns für viel Geld einkaufen zu lassen... .”
Meine Frage, ob sich diese Möglichkeit denn geboten hat, beantwortete mir Flo erneut mit einem kurzen aber bedeutungsschwangeren Ja. Für mein Gegenüber fiel die Entscheidung dieses Angebot auszuschlagen aber offenbar nicht schwer:
“Wir wollten einfach sämtliche Kontrolle über unsere Musik haben. Außerdem lag uns viel daran weltweit zu veröffentlichen und nicht nur in den deutschsprachigen Ländern, wie es bei Major-Labels meist der Fall ist.”

So, werter Leser, mehr ist leider nicht drin. Die übrigen Antworten sind ungefähr so reichhaltig wie die Pommes von McDonald´s, wobei mir die Kartoffelstäbchen wesentlich besser gefallen, zumal man sie a) essen kann und b) ich einfach mehr von ihnen habe. Andererseits war das Gespräch nicht so teuer... Aber bevor ich noch weiter Flo Schwarz´ Antworten mit McDonald´s-Essen vergleiche (und wahrscheinlich noch zu einem wissenschaftlich interessanten Ergebnis komme...), werde ich diesem Artikel besser schnell ein Ende setzen. Nichts für ungut... .....Stefan Belda.....


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Infos

  • Erstellt am

    15. November 2002
  • Line Up

  • Redakteur

    Marcel Hübner
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