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  • Bülent Ceylan

    | Thorsten Zwingelberg | Konzerte

Ja, die Herausforderung des Abends war nicht gerade klein: immerhin hatte Kollege Trillmich den Halbmond des deutschen Comedyhimmels in seinem Jahrespoll nicht nur in die Kategorie „Peinlichster Rocker“ gewählt, nein – er hatte ihm sogar abgesprochen überhaupt ein Rocker zu sein. Na ja, und Tobi kennt sich aus, immerhin wurde er vom Berliner Kurier bereits als „Experte“ herangezogen.

Beim Blick auf die Publikumsstruktur schien sich zunächst mal zu bestätigen, dass Bülent Ceylan trotz seiner permanenten Bekenntnisse zum Heavy Metal in Braunschweig kaum Langhaarige in die mit etwa 5500 Zuschauern fast ausverkaufte Volkswagenhalle locken konnte: stattdessen fand sich von der Sprechstundenhelferin mit 80iger Jahre Fönwelle bis zum schnieken BWLer alles, was in der Regel einen großen Bogen um den Metaler macht.

Gegen 20 Uhr und dem erfolgreichen Kampf um gute Sitzplätze, brach das Inferno auf der Bühne dann los und Bülent tobte in gewohnter Manier von rechts nach links, von vorne nach hinten und wenn er gekonnt hätte auch von oben nach unten. Unterlegt von donnernder Musik peitschte der Halbtürke mit der langen Matte seine Fans an. Und sofort war er nicht nur in seinem Programm, sondern offensichtlich auch vollkommen in seinem Element: Erinnerungen an einen Auftritt in Salzgitter vor wenig interessierten Zuschauern vor 15 Jahren, Witzen auf Kosten der verhassten Hannoveraner, sowie erfreute Bemerkungen zu der völkischen Aura solcher Namen wie Braunschweig und Volkswagenhalle – ob er wohl wusste, dass der „Föhrer“ seinerzeit in Braunschweig eingebürgert worden war?

Nachdem auch zwei verspätete „Pisser“ ihre Plätze eingenommen hatten, ging der wilde Ritt durch das aktuelle Programm „Wilde Kreatürken“ richtig los. Der „Godfather of Schizometal“ gab sich sichtlich Mühe seine Zuschauer kennenzulernen und sondierte – wie immer – erstmal die Lage, um herauszufinden welche Nationalitäten heute im Publikum vertreten waren: am dauerhaftesten blieb uns allen wohl der Italiener Pieto in Erinnerung. Und ob „Tim“ und „Mark“, die kurzerhand als Ergebnisse von Bülents früherer Liebschaft in Braunschweig verkauft wurden, heute wirklich die Antworten auf solch pikante Fragen wie „Warum müssen Männer morgens erstmal ein Zelt abbauen?“ von ihrer Mutter bekommen, wäre interessant zu erfahren. Vermutlich werden die beiden Teenager erstmal einige Jahre in ihre Kinderzimmer gesperrt, so lange bis sie die Anzüglichkeiten des „Hääädbängers“ aus Mannheim wieder vergessen haben.

Natürlich ließ Bülent auch die „Wilden Kreatürken“ aus den Käfigen: Anneliese, den Halbyeti Günther oder Mompfreed Bockenauer, der der von Bülent entdeckten Gattung des Fuchsteufels-Wild angehört. Mir persönlich gefällt ja der prollige Stereotyp Hassan am besten, doch nach der Show waren die Meinungen geteilt und alle Charaktere schienen ihre Anhänger gefunden zu haben.

Ob deutsche Tugenden, Campingurlaub in der Schweiz oder Erinnerungen an den Hauptbühnenauftritt in Wacken 2011, Bülent schaffte meist den Spagat zwischen Klamauk und scharfsinniger Gesellschaftskritik, so dass sich die meisten der lachenden Zuschauer wohl an der ein oder anderen Stelle wiedererkannt haben dürften. Vor allem dann, wenn es um die kühle nordische Art oder das sogenannte Oxford-Deutsch ging. Aus Sicht des Pressefotografen gewann allerdings auch Bülents großspurige Rede über die vermeintliche Regelverliebtheit der Deutschen eine ganz eigene Komik. Denn während Bülent großzügig alle Hinweise auf das Fotografierverbot kurzerhand außer Kraft setzte, saß ich mit leerer Fototasche auf meinem Stuhl: nach der Fotosession von der recht weit entfernten Empore mussten die Kameras nämlich an der Garderobe abgegeben werden. Schön, dass man auch nach 20 Jahren im Geschäft immer noch Neues erleben kann – ärgern werden sich lediglich Manowar, dass sie nicht auf diese Regelung gekommen sind. Na ja, aber wie heißt es so schön: Wer keine besonders seltsamen Regeln aufstellt, der ist einfach nur nicht berühmt genug!

Doch abgesehen von diesem eher persönlichen Kuriosum war der Abend wirklich gelungen. Bülent Ceylan wirkte total frisch, seine Gags authentisch und gut platziert und er konnte immer wieder gekonnt auf das Publikum eingehen. Kein Wunder also, dass die Fans nach etwa 2 Stunden Programm mit zufriedenen Gesichtern die Halle verließen. Blieb schließlich nur die Frage: Was sollte dieses seltsame Chanson-ähnliche Liedchen am Ende des regulären Programms? Hatte Bülent eine Wette gegen Matthias Reim verloren und musste deshalb ein bislang unveröffentlichtes Lied aus dessen Schatzkiste der philosophischen Therapiesongs vortragen? Aber gut, wir haben es ja überlebt, nur nochmal muss man es vielleicht dann doch nicht haben.

Ob Bülent nun ein echter Rocker ist, konnte auch auch nach dem Abend nicht abschließend geklärt werden. Sicher ist jedoch, dass wir es mit einem hervorragenden Comedian zu tun haben, der die Fanscharen problemlos in seinen Bann ziehen konnte. Bülent, wir nehmen dich beim Wort und sehen uns mit dem nächsten Programm in Braunschweig wieder.

 

 

 

Ort

Braunschweig, Volkswagenhalle

Kategorie

Setlist

Spielzeit

ca. 120 Minuten

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