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Obituary, M:Pire of Evil, Dust Bolt, Posthum - Bremen, Tivoli (17.01.2015)
| Thorsten Zwingelberg | Konzerte
Liebes Tagebuch,
während alle Szenegrößen unserer Region in das sonnige Florida aufbrechen, um mal wieder auf dem Luxusliner Sonne, Cocktails und Metalbands zu genießen, sind wir nach Bremen gefahren. Zwar schien dort auch nicht die Sonne, aber immerhin hatte sich das Flagschiff der nordamerikanischen Death Metal Szene OBITUARY angekündigt. Doch auch Bremen ist weit entfernt und im Alter macht die Blase nicht mehr so mit, wie zu Zeiten, als OBITUARY noch so jung waren wie DUST BOLT heute. Mit anderen Worten: 500m nach dem ersten Pinkelstop auf dem Rastplatz, mussten wir notfallmäßig auf dem Seitenstreifen der Autobahn zwischenlanden, um die Sitzbezüge vor einer ungewollten Durchwässerung zu schützen. Gut, dass ich noch nicht so alt bin. Trotzdem schreib ich auf den Merkzettel: Vor der nächsten Fahrt nach Bremen, Granufink an die Passagiere austeilen.
Bremen ist eine schöne Stadt. Das Tivoli liegt allerdings in einer weniger schönen Gegend, dafür wurden wir standesgemäß von der lokalen Szenegröße Tobi mit Döner in der Hand vor den Toren der heiligen Hallen in Empfang genommen.
Aufgrund unserer verspäteten Abreise aus Hildesheim hatten wir den Beginn der Show bereits verpasst und haben von POSTHUM nur noch die Aufräumarbeiten gesehen. Ob ROTTING REPUGNANCY überhaupt gespielt haben, war nicht mehr herauszufinden. Ohnehin bestand bei allen Befragten an diesem Abend Verwirrung über die Tagesordnung: Wer ist wer? Wer spielt überhaupt? Und was soll das Ganze eigentlich?
Kurzerhand wurden DUST BOLT von einigen Anwesenden in THE RIOT umbenannt, da es sowohl „Riot“ T-shirts zu kaufen gab und man aus dem Augenwinkel zunächst nur den einen Banneraufstellen auf der Bühne sehen konnte. THE RIOT? Kenn ich nicht, ab an die Theke, mögen sich da viele Fans gesagt haben. Tatsächlich handelte es sich aber um die WACKEN Metal Battle Gewinner aus dem Landkreis Landsberg: DUST BOLT.
Nachdem die Jungs noch schnell den Sound gecheckt hatten, donnerten sie wie en Kugelblitz über die Bühne. Das musikalische Programm ließ sich durch den DRI Aufkleber auf der linken Bühnenseite einerseits und das SUICIDAL TENDENCIES Shirt auf der rechten Bühnenseite andererseits treffend umschreiben. Die Band, die als Schülerband zunächst mit Coversongs die Hinterhöfe der Nachbarschaft unsicher gemacht hatte, hat sich mittlerweile zu DER Thrash Metal Hoffnung aus deutschen Landen entwickelt. Und den guten Eindruck ihres aktuellen Werks „Awake The Riot“ konnten die Jungs durch ihre energiegeladene Liveshow auch mehr als bestätigen. Es wurde gehüpft, gesprungen, gelaufen, gebangt bis der Arzt kommt und die Thrash Metal Fans vor der Bühne dankten es durch einen fetten Moshpit. Ganz im Stile der frühen 90er Jahre, lieferten die Jungs um Frontmann Lenny ein fettes Thrash Metal Brett mit einer ordentlichen Punk Note ab, wie man es heute nicht mehr so häufig findet. Zwar war der Sound nicht immer so wie man es sich gewünscht hätte und wie es die bratenden Riffs verdient gehabt hätten, aber der Funke sprang auch so über. Für mich war der Auftritt der Bayern das Highlight des Abends.
Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. Nachdem DUST BOLT die Bühne geräumt hatten, folgte das Trio von M:PIRE OF EVIL. Optisch konnte man zunächst einen Einblick bekommen, wie ULI JON ROTH heute aussähe, wenn er nicht Esoteriker sondern motorradfahrender Kneipenwirt geworden wäre. Bei genauerem Hinsehen entpuppte sich der ältere Herr jedoch als ex-VENOM Saitenmann Mantas. Am Bass stand eine genetische Kreuzung aus Gene Simmons und Bubbi – The Schmied, dem man zudem die Stimmbänder des jungen Lemmy Kilmister verpflanzt hatte. Lauter und kakophonischer bekommt man es wohl nur, wenn die schwerhörigen Soundleute von MANOWAR und MOTÖRHEAD gemeinsam für den Sound eines MINISTRY Konzerts verantwortlich wären. So fiel es verschiedenen Konzertteilnehmer auch zunächst gar nicht auf, dass es sich bei der Truppe um einen Ableger der legendären Black Metaler VENOM handelte. Selbst die Interpretation verschiedener Klassiker ging etwas im lauten Soundbrei der Band unter. Fazit der ganzen Veranstaltung war: alle Songs klangen gleich – laut und breiig, die Liveshow war das Pendant zur Blase meines Beifahrers: alt und ausgeleiert, und die Burger im Bistro des Tivoli schmecken lecker, während die Getränkepreise eine Frechheit sind. Aber immerhin hat man dort seine Ruhe.
Zu seniorenfreundlichen Zeiten kündigten sich dann OBITUARY durch ein minutenlanges dumpfes Brummen an. Was früher als technische Störung für Aufregung bei der Crew sorgte, wird heute als innovatives Intro gefeiert. Doch schließlich ging es los und rein optisch stellte sich die Frage, ob man OBITUARY nicht auch gerechterweise als Hair Metal Band führen sollte.
Denn wenn Gitarrist Trevor Peres und Schreihals John Tardy loslegen, ist außer wallenden Haaren nicht mehr viel auf der Bühne zu sehen. Nach wie vor sind OBITUARY der lebende Beweis, dass es für zermalmende Todesriffs mit Abrissbirnencharakter keine 7saiter oder gar 8saiter braucht, sondern nur die richtigen Ideen. Auch 30 Jahre nach ihrer Gründung bleiben OBITUARY, trotz nicht gerade idealem Sound an diesem Abend, das Aushängeschild in Sachen Brutalität im Bereich des Todesmetals. Nun könnte man sich natürlich wieder lang und breit über die Setlist des Abends auslassen, ich habe z.B. schmerzlich „The End Complete“ vermisst, aber letztlich haben die Death Metal Rednecks ja gar keine schlechten Songs. Und mit ihrer Mischung aus allen Phasen ihres bisherigen Schaffens dürften die Tardys & Co doch für jeden anwesenden Fan etwas im Gepäck gehabt haben. Fazit: Zwar kommt Frontmann John mittlerweile auch schon mal etwas aus der Puste, doch am Ende liefern OBITUARY immer noch das ab, was man von ihnen erwartet: brutalen Death Metal der alten Schule, der alles zermalmt, was sich im ihn den Weg stellt.
Musikalisches Fazit des Abends: Man musste sich zwischen bayrischer Bay Area und Sonnenküste Floridas entscheiden. England war wie immer verregnet und versuchte mit schlechtem, mässig aufgewärmten Essen zu punkten.
Ja, liebes Tagebuch, so war es also im fernen Bremen. Musikalisch eine Berg- und Talfahrt der Gefühle. Aus urlogischer Sicht besorgniserregend. Und für den Soziologen in mir befremdlich bis hochinteressant, denn immerhin trifft man nicht alle Tage Fans, die sich offenbar vor dem Gang in den Moshpit warm machen (!!), um einem Bandscheibenvorfall vorzubeugen. Und es passiert mir auch nicht jeden Tag, dass mir ein dicker, alter Mann, den ich zunächst für Mantas gehalten hatte, im Vorbeigehen zuraunt, dass alle Frauen eine Macke hätten, das schon immer so gewesen sei und auch immer so bliebe, nur um schließlich mit hervorragender Haltungsnote die biergetränkte Treppe hinunter zu glitschen und unten von zuvor diskreditierter Dame wieder in die Horizontale gebracht zu werden. Ich stelle mal wieder fest: Bremen ist immer eine Reise wert. Und für die nächste Bremenfahrt hab ich mir auch den Besuch in DER Metalkneipe Bremens fest vorgenommen: die Furchtbar. Na, das kann ja was werden!
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