-
Rock im Regenbogen
| Jens Dunemann | Konzerte
Die Stunde ist bereits weit vorgerückt, der Zeitplan längst aus den Fugen geraten, als sich Sodom-Frontmann Tom Angelripper anschickt, dem versprengten Rest eines ohnehin nicht übermäßig zahlreich erschienenen Publikums musikalisch die Lampen auszugießen. Konnte ich das Sauflieder, Spaß-, Schlager- und Prollrock-Projekt auf den ersten beiden Alben vor gut anderthalb Dekaden zum Bier noch ertragen, benötige ich heute dafür spätestens nach drei bis vier Liedern mindestens Schnaps, um diesem professionellen "Gute-Laune-Metal-Trupp" noch etwas Heiterkeit abzugewinnen. Lieber Tom, es tut weh, dich unter diesen Umständen sehen und hören zu müssen, Metal ist in den vergangenen 20 Jahren mehr und mehr zum Mainstream geworden, so dass der einst gelungene Gag leider nichts anderes als plumpe Ballermann-Unterhaltung ist. Da können die Herren auch noch so tight spielen und ihren Gig trotz der sich nach und nach lichtenden Reihen inklusive Zugaben pflichtbewusst zu Ende bringen. Eine Ikone wie Tom, der zweifelsohne viel für die deutsche Metal-Szene geleistet hat, gehört mit seinem Bass hinter ein Mikro auf eine Bühne, in deren Rücken das Sodom-Backdrop prangt.
Wie ein Headliner funktioniert haben zuvor die alten Hardrocker von VICTORY mehr als eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Ich hatte – abgesehen vom 1990er-Gassenhauer "Temples Of Gold" – nie wirklich großen Kontakt zu dieser, nach den Scorpions wohl erfolgreichsten deutschen Heavy-Bands. Und auch wenn es immer einen schalen Beigeschmack hat, wenn garniemand mehr von der Origial-Besetzung dabei ist. Victory sind es wert, so wie sie sich hier präsentieren, unter diesem Label aufzutreten. Das Quintett um den aktuellen Ausnahme-Fronter mit der grandiosen Stimme – Jioti Parcharidis – bietet ganz großes Metal- und Hardrock-Kino, angefangen beim Sound, über Tightness bis hin zu einer mitreißenden Performance. Punkt.
Mit aktuellen Heavy-Bands der Marke ALPHA TIGER oder GUN BARREL kann ich leider gar nichts anfangen. Zwar bin ich kein Experte für Musik dieser Art aber bei weitem kein Verächter guter Kost von Größen wie Maiden, Sabbath, Dio, King Diamond, Priest usw... Andere Leute dürfen das gerne anders sehen, aber meiner Meinung nach ist es seit der Post Hammerfall-Ära (inklusive der Band selbst) keiner Band mehr gelungen, in diesem Genre wirkliche musikalische Akzente zu setzen. Stattdessen beschränkt man sich seither auf das ewige Wiederkäuen eines lauen Aufgusses der Vorbilder. Die Klischees einer längst vergangenen Zeit werden stattdessen vor die mittelmäßige Musik gestellt, bis zur Lächerlichkeit überhöht und von der cleveren Marketing-Maschinerie der Plattenfirmen noch einmal künstlich aufgeblasen, damit es der dumme Musikkonsument am Ende originell findet. Nun gut, Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel aber keine der beiden eingangs genannten Bands fällt darunter.
TURBO LOVERS verkörpern alle diese Klischees in Reinkultur. Das Quintett ist eine Retro-Kapelle, die sich den Rock- und Metal-Größen der Achtziger verpflichtet hat und die Klischees dieser Zeit großartig karikiert und dabei musikalisch und handwerklich eine klasse Leistung abliefert, die wirklich Spaß macht. Nicht nur dass man mit Arno Kaedtler einen fantastischen Sänger am Start hat, der darüber hinaus auch noch ganz zufällig eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Sebastian Bach aufweist, die Gassenhauer im Repertoire tun ihr Übriges, um das Publikum bereits am späten Nachmittag erstmals zum Kochen zu bringen.
Los ging es bereits um 16:30 Uhr mit dem Gig von TEMPLE OF YOUR SOUL. Die Band kann jedoch zu diesem frühen Zeitpunkt mit ihrer Mischung aus modernem Heavy und Gothic Metal, der von der Stimme Sängerin Lini Drechsel getragen wird, noch nicht wirklich punkten, wobei das eher durchschnittliche Material nicht unwesentlich dazu beiträgt.
FINAL CRY setzen nicht nur härtetechnisch einen Kontrapunkt und haben in Hameln ein Heimspiel. Die Thrasher feiern heute ihr 25jähriges Bestehen. Einst war die Band aus dem Weserbergland ein vielversprechender Newcomer, die mit der heute noch originellen Mischung aus Thrash-, Heavy- und Death Metal leider nie aus dem Underground emporsteigen konnte. Zwar haben Final Cry zunächst mit einem verwaschenen Sound zu kämpfen, was sich mit jedem Song ein wenig bessert. Man gibt aber von der ersten bis zur letzten Minute Vollgas und drischt sich mit viel Erfahrung durch den Set der vier veröffentlichten Alben. Zur Feier des Tages hat man sogar für einige Songs den ehemaligen Fronter Mario Reese reanimiert und mit "Zombiac" gibt es sogar noch einen ganz neuen Song zu hören, der die Hoffnung nährt und Freude auf ein neues Album macht.
Ein wenig untergegangen ist neben dem metallischen Lärm die "Unplugged-Stage" im Außenbereich hinter dem Jugendzentrum, auf denen undankbarerweise durchaus talentierte Künstler und Freunde leiserer Töne weitgehend unbeachtet performten, so dass einem DER TAGTRÄUMER, IVORY STONE oder NORTH ALONE schon ein wenig Leid tun konnten. Auch wenn Ausnahmen wiederum die Regel bestätigen, eine allzugroße Schnittmenge besteht zwischen Freunden der harten Heavy Metal und Rockmusik und der Singer-/Songwriter-Szene nunmal nicht, so dass es nicht verwunderlich ist, wenn es die meisten der Anwesenden im Außenbereich lediglich bis zu den Merch- und Fress-Ständen schafften.