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Hardrock ist gewöhnlich nicht das Metier, in dem sich des Autoren Ohren privat musikalisch austoben, Ausnahmen sind die SCORPIONS (und das liegt nicht am Wohnort, aus dem die Schenker-Brüder stammen) und SINNER. BONFIREs neue Scheibe "Higher Ground" trotzdem auf den virtuellen Plattenteller zu legen, birgt für die Band ein kleines Risiko, aber der Autor ist neugierig und es gab Gründe zuzugreifen.

Soso, Gründe... 1. Ingolstadt, dieser Ort ist die letzte Etappe meiner zehn Jahre in Bayern gewesen, dort kennt man die Band freilich, was mich trotzdem nicht bewog, die Band in den Fokus zu nehmen. Ich war dort stationiert, von dort nahm das Schicksal seinen Lauf mit einer spannenden Spezialqualifikation, wegen der ich auch insgesamt gut eineinhalb Jahre in Vorderasien Dinge tun durfte. Auch meine Yogalehrerausbildung erfolgte in Ingolstadt. 2. Frank Pané. Leider verpasste ich wegen meiner zweiten Afghanistantour im Jahr 2020 eine kleine feine Wochenendveranstaltung in Wiesbaden, bei der ein britischer Verstärkerhersteller (Markenname beginnt mit L) und ein sehr großer amerikanischer Gitarrenhersteller von der Ostküste (Markenname beginnt mit P) ausstellten. Frank Pané war vor Ort für einen Rockworkshop. Die Gäste waren in der Regel Besitzer von Gear der ausstellenden Hersteller, entweder Amp oder Gitarre oder manche auch von beiden. Frank Pané ist offizieller Verwender der britischen Verstärker und so hatte ihn der Sales & Marketing Manager der Marke ihn für diese User Days engagiert. Er hatte (mind.) eine purplefarbene Superstrat eines japanischen Herstellers, des Namen mit C beginnt. Vor Ort konnte seine Frau scheinbar nicht verhindern, dass ihn die Gitarren des Ausstellers verführten - es muss eine ebenfalls purplefarbene Gitarre gewesen sein. Der Erinnerung nach löste er eine Bestellung für die Gitarre aus. Begleitend muss der Sales Manager der Gitarrenfirma ihn im HQ in den USA vorgeschlagen haben. Weil er vermutlich großen Eindruck hinterlassen hat und Potential gesehen wurde, erfolgte eine Annahme und er gehört seitdem zum Kreis der "Official Artists". Da ich auch ein paar Gitarren des gleichen Herstellers besitze kennen wir uns zumindest aus einer deutschsprachigen Gruppe der Marken.
Das Ganze bedeutet aber nicht automatisch, dass daraus eine Lobhudelei des Albums wird. Messen muss sich die Musik daran, ob sie mir gefällt. Punkt.

BONFIRE gehören in die Riege der ältesten noch aktiven Profibands (losgelöst von der Umbenennung zum aktuellen Bandnamen im Jahr 1986 und der kurzzeitigen Auflösung 1994 und der Wiederbelebung 1995). Die SCORPIONS, ZZ TOP, ACDC, THE ROLLING STONES wären noch andere Marathonläufer. Aus der Gründerzeit 1972 ist nur noch Hans Ziller im Line-Up. Zur wechselvollen Bandgeschichte gehört auch, dass man Hans Ziller für einige Jahre aus seiner Band exkommuniziert hatte. Seit 1995 ist er wieder in "seinem" Lebenswerk. Das aktuelle Line-Up ist in dieser Zusammensetzung seit 2022 aktiv mit den Zuläufen an Schlagzeug und Gesang. Bass und die Gitarre neben Hans Ziller sind seit 2014 konstant geblieben. 
1972. Da hatte ich noch nicht mal eine Windel an, weil meine Eltern noch nicht an Nachwuchs dachten, schon gar nicht, mich in die Welt zu setzen. 
 
Und der erste Höreindruck BONFIREs, dass sie härter sind als die SCORPIONs und SINNER. Ein Sound, den ich eher als amerikanisch geprägt ansprechen würde. Es ist ein wenig eine musikalische Zeitreise in die 1980er Jahre. Die jungen BON JOVI auf Anabolika - was auch am Timbre Dyan Mairs liegt.  
Chorgesänge, intensiver Einsatz von mehrstimmigen Gitarrenläufen (z. B. Instrumental Nostradamus) und ausgedehnte schnelle Läufe rauf und runter über das gesamte Griffbrett, Stakkato-Akkord-Riffing, dezenter Keyboardeinsatz, der sehr druckvolle, dichte Sound, eine sehr treibende Rhythmussektion. Und bei den Liedern typische Powerballaden mit Westerngitarrenbegleitung, Uptempo-Nummern, dazu auch  
Gerade bei den Liedern, die auf die Tube drücken ("I Will Rise", "Lost All Control", "Jealousy", "Spinnin' In The Black" u. a.), kriege ich die Affirmation, dass die Phalanx aus zwei Gitarristen und dem Bassisten nebeneinander stehen und die Instrumentenhälse im Takt wedeln.
Dieses Retrogefühl will ich nicht als negative Kritik verstanden wissen. Heute, bei der Verfügbarkeit von Plug-ins für alle musikalischen Produktionen (ohne ein Instrument beherrschen zu können, geschweige Noten schreiben oder lesen zu können; von KI-generierter Musik ganz zu schweigen), soll es welche geben, die aus der Mode gekommene Stile lieben. Das gilt zweifellos für die Klassik, aber auch für andere Genres. 
Was mir sehr gut gefällt, ist das technische Können aller Musiker. Das Können dient dem Song, nicht dem Ego. Damit hebt es sich positiv ab von den Instrumentalen der unstrittig zu Guitarheros emporgehobenen Steve V. und Joe S. (im klassischen Bandkontext, z. B. bei CHICKENFOOT, gefällt mir Joe S., als Solist lege ich seine Stücke gelangweilt schnell beiseite).
Alle Nummern BONFIREs auf "Higher Ground" hinterlassen den Eindruck einer wahrhaft vor Spielfreude strotzenden Band. Es ist authentische Liebe zum Stil und keine Maskerade oder Persiflage (STEEL PANTHER, denen ich Gefallen am Stil damit nicht abspreche).  

Meine Favoriten des Albums sind weniger die "Auf-die-Zwölf"-Nummern (siehe oben Uptempo-Stücke), sondern die etwas im Tempo gemäßigten Lieder: 
"I Died Tonight", das mit Unisono-Keyboardeinsatz im Intro fast schon auf Pfade fällt, die ELECTRIC CALLBOY betritt, wenn sie den Schlager in ein Metalgewand zwängen wollen, braucht ein paar Anläufe, aber besonders die Chöre haben wirkungsvolle Haken und besonders die Harmoniefolge des Refrains. "When Loves Comes Down" gefällt sehr als Power Ballade mit typischem Westerngitarrenintro."Higher Ground" fesselt mit seinem Refrain, "Rock'n'Roll Survivor" präsentiert die plombenziehende Talkbox als Gitarreneffekt. Es ist das Motto Hans Zillers. BON JOVI ist ja schon benannt, in der populären Hardrockmusik bleibt die Talkbox definitiv mit Richie Sambora verbunden. Auch "Come Hell Or High Water" erfreut des Gitarrenspielers Zähne durch Talkboxeinsatz im Intro und Solo, doll finde ich den Pre-Chorus mit seinen Harmonien. 
 
Für den Schlussakkord greife ich den Titel des Schlussliedes auf: "Rock'n'Roll Survivor". Survivor - Überlebender. Bei allem Retrogefühl, was ich beim Hören habe, verneine ich, dass es hier ums Überleben geht. Die Musik ist absolut vital und kraftstrotzend und das Zusammenspiel der Band perfekt - weil sie einfach Spaß haben. Ein starkes Album. Gebe 12 Punkte von 15.

Der Kollege Thiem zückt 12 Punkte und attestiert BONIRE, mit „Higher Ground“ ein „starkes Album“ vorgelegt zu haben. So weit, so gut. Aber da der geschätzte Kollege auch eingesteht, dass BONFIRE normalerweise nicht auf seinem Plattenteller liegen, seien doch wenigstens einige Ergänzungen zu seiner ausführlichen und wie immer kompetenten Plattenvorstellung erlaubt.

Denn wer die Karriere von BONFIRE seit Längerem verfolgt, der wird wissen, dass es in den letzten Jahren (und Jahrzehnten) einige Veränderungen gab. Die gravierendste Veränderung war sicherlich die Trennung von Sänger Alex Stahl und die Vorstellung des neuen Frontmanns Dyan Mair mittels der Re-Recordings des Back-Katalogs der Band. Und ich hatte bei diesem Anlass bemerkt, dass mir Stahl stimmlich besser gefallen würde, da mir Mair stellenweise zu kratzig klang. Dies muss man jedoch revidieren, denn auf „Higher Ground“ klingt Mair deutlich geiler als aus den Re-Recordings und lässt seinen Vorgänger schnell in Vergessenheit geraten.

Das Gitarrenduo Ziller und Pané rocken ja nun bereits seit einer Dekade gemeinsam und es ist doch bemerkenswert, dass BONFIRE im Verlauf ihrer Geschichte (und vor allem in den letzten 10 Jahren) deutlich härter geworden sind und anstatt im Hair Metal Heaven immer wieder eher in der Stahlschmiede vorbeischauen. Insofern wird der auf „Temple Of Lies“ und „Fistful Of Fire” eingeschlagene Weg auf „Higher Ground“ konsequent fortgesetzt und stilistisch weiter verfeinert. Während in Songs wie „Fallin`“ oder dem titelgebenden „Higher Ground“ durchaus die Hard Rock Roots gepflegt werden, geht es im groovenden „Lost all control“ deutlich härter zu. Auch die zweite Single „I Will Rise“, die Hans Ziller als autobiographisch beschreibt, ist eher im melodiösen Power Metal anzusiedeln als im Hard Rock der 80er Jahre. Die stimmliche Klasse von Mair zeigt sich auch darin, dass er nicht nur in den harten Tracks richtig abliefert, sondern auch eine Ballade wie „When Love Comes Down“ perfekt umsetzen kann.

Als echte Highlights entpuppen sich jedoch „Come Hell Or High Water”, welches an Bands wie PATRIARCHS IN BLACK oder SORCERER erinnert, sowie „Jealousy“, bei dem man fast meint TAD MOROSE & Co zu hören. Hier testen BONFIRE wirklich ihre musikalischen Grenzen erfolgreich aus.

Trotz dieser stilistischen Vielfalt lässt „Higher Ground“ zu keiner Sekunde den roten Faden vermissen und das gesamte Album wirkt trotz oder gerade wegen seiner verschiedenen Facetten absolut rund. Ziller & Co haben als wahrlich ein starkes Album abgeliefert – und deshalb würde ich sogar die 14 Punkte aufrufen! Und jetzt bestelle ich mir sofort das rote Vinyl...

Thorsten Zwingelberg

Nachtrag:
Annahme: Stellvetretender Chefredakteur und Redakteur sind als Kritiker gleichrangig. Thiem 12, Zwingelberg 14. Das kann man nicht so anzeigen. Folgerung: Wir treffen uns auf der Mitte und geben dem Album gemeinsam und auf den ersten Blick sichtbare 13 von 15 Punkten. 

Martin Thiem





Kategorie

V.Ö.

24. Januar 2025

Label

Frontiers Music s.r.l.

Spielzeit

46:57 min

Tracklist

01 Nostradamus
02 I Will Rise
03 Higher Ground
04 I Died Tonight
05 Lost All Control
06 When Love Comes Down
07 Fallin`
08 Come Hell Or High Water
09 Jealousy
11 Spinnin’ In The Black
12 Rock’n’Roll Survivor (2024 Version)

Line Up

Hans Ziller - Gitarre
Dyan Mair - Gesang
Frank Pané - Gitarre
Ronnie Parkes - Bass
Fabio Alessandrini - Schlagzeug

Bewertung

1

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