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Will man gar ein wenig die Spur korrigieren, um der Gefahr in einer Sackgasse zu enden zu entgehen, kommen gleich dutzende Verfechter überholter Vorstellungen – manchmal auch gerne als Stittenpolizei bekannt - mit erhobenen Zeigefinger angerannt und wollen einen regelrecht tadeln und mit Missachtung strafen, damit auch ja der rechte Weg wieder schnell zurück und zur Zufriedenheit aller gefunden wird. Was in der Politik und vielen in anderen öffentlichen Lebensbereichen abgeht, macht auch vor der Musik nicht halt und schon gar nicht vor den so genannten härteren Klängen. So muss sich die amerikanische Prog-Institution namens Dream Theater schon seit einigen Alben anhören, sie würden sich dauernd vom Kurs wegbewegen und somit den Fans entgegenarbeiten. Was mit endlosem Gemurmel auf zigtausend Webforen seinen Höhepunkt offenbart, zeigt sich aber komischerweise nicht in der Abkehr der Jünger vom Traumtheater. Obwohl das Gemecker schon fast periodisch zeitgleich mit Veröffentlichung eines Albums steigt und fällt, kommen dennoch tausende zu ihren ausverkauften Konzerten. Tendenz steigend. Ob der CD Verkauf nun rückläufig ist, kann ich zwar momentan nicht beurteilen. Fakt ist jedenfalls, dass auch ihre mittlerweile Achte Scheiblette mit klangvollem und treffsicherem Namen „Oktavarium“ wieder für einigen Gesprächsstoff gesorgt hat und es wohl auch immer noch tut. Klar große Hits wie „highway to hell“ von AC/DC oder im Falle von Dream Theater mit zum Beispiel „pull me under“ schreibt man halt nur einmal im Leben. Dennoch ist ihre Kurskorrektur diesmal so marginal ausgefallen, dass ich als Fan das schon wieder irgendwie nicht nachvollziehen kann. Abgesehen von einigen stimmlichen akrobatischen Übungen Richtung der Band Muse, gibst es eigentlich nicht viele erwähnenswerte fremde und neue Einflüsse. Aber was will man mehr, um im Gespräch zu bleiben. Dazu hat man doch schließlich das schöne Wort der Polarisierung erfunden. Sprachwissenschaftler würden mir jetzt sicher verbale Unzurechnungsfähigkeit attestieren, obwohl da doch eher ein Besuch beim Arzt angebracht wäre. Doch zurück zu den genialen Dream Theater. Musikalisch ist das Quintett sicher über jeden Zweifel erhaben. Gibt es eigentlich überhaupt noch Instrumente, die die New Yorker noch nicht studiert haben? Vielleicht fremdländische Klangerzeugnisse, doch sogar über diese mögliche zukünftige Tendenz würde ich mich bei ihnen nicht sehr wundern. Haben doch DT schon immer versucht, sich von Alben zu Alben neu zu definieren, natürlich stets mit scharfen Blick Richtung Fans. Ich denke auch diese Gratwanderung haben sie bisher immer vortrefflich erreicht. Somit kommen wir wieder auf den anfänglichen Unmut einiger Fans angesichts neuer Outputs der Band zurück, die nach meiner Sicht aus vorher genannten Gründen so überhaupt nicht gerechtfertigt wären. Die so genannten Veränderungen bewegen sich meiner Meinung halt immer in einem gewissen vertretbaren Rahmen. Doch nun zur aktuellen Scheibe von Dream Theater. Passend zu Albumtitel finden sich acht wahre Perlen auf „Octavarium“, die alle für sich gesehen eine besondere Qualität besitzen und das Ganze so abwechslungsreich wie schon lange nicht mehr gestalten. Nachdem DT mit dem überaus erfolgreichen und „Operation Mindcrime“ ebenbürtigen Konzeptwerkes namens „Scenes from a Memory - Metropolis Part2“ ihre eigene Messlatte ziemlich hoch angesetzt hatten, konnten sie diese nur noch mit einer Doppel-CD übertrumpfen. „Six Degrees of inner Turbulence“ hätte sicher noch besser ankommen sollen, war einigen – kann’s gar net glauben – wohl ein wenig zu sperrig und somit hielt sich die Begeisterung seitens der Fans zurück. Doch ihre Einzigartigkeit wollten DT auch auf ihrem darauf folgenden Werk beweisen. Denn es wäre ja langweilig einfach nur ein Album in die Welt zu setzen, denn das machen ja schon unzählige andere Bands jedes Jahr aufs Neue. Aber hieße man nicht Dream Theater und hätte man einen gewissen Ruf zu verlieren, wäre die Welt zwecks Überbevölkerung sicher schon längst aus ihrer Umlaufbahn gekommen. Also besann man sich auf die Wurzeln des Metals und huldigte nach einigen sensationellen Konzerten in Amerika (einmal gab’s das legendäre„Master of Puppets“ von Metallica und als Zugabe ein weiteres Mal „Number of the beast“ von Iron Maiden in voller Länge) den Größten der Szene und entwickelte ein Album mit vielen interessanten Zitaten und mit einer nie gekannten Härte („Train of Thoughts“). Respekt. Doch wie nun weiter. Aber auch diese schon lächerlich anmutende Hürde wurde schnell genommen. Galten die Songs von DT bisher als nicht Radiokompatibel – hauptsächlich der Länge wegen – haben sich Petrucci und Portnoy (Chefs der Bande) nun ausgedacht, ein wenig eingängiger und vor allem kürzer zu werden. Herausgekommen ist u.a. auf „Octavarium“ der extrem U2-lastige „I walk beside you“ (die beiden Ps sind bekennende U2 Fans) oder die zuckersüße Ballade „the answer lies within“. Aber es wäre viel zu einfach die Scheibe nur auf ihre Radiokompatibilität in 2 Fällen zu reduzieren. Ist doch „Octavarium“ so abwechslungsreich ausgefallen, wie schon lange nicht mehr. So ist „The root of all evil“ mit einigen Zitaten aus der letzten CD „Train of Thoughts“ versehen und zudem in einer ebenfalls genialen und modernen Härte verfasst. Die Songs kommen insgesamt schneller auf den Punkt, lassen aber dennoch viel Platz für eigene Interpretationen – sprich das geliebte Gefrickel auf der Bühne zwischen dem Gitarristen Petrucci in Kollision mit dem momentan haarprachtlosen Keyborder Jorden Rudess. Aber auch auf Polyethylen haben sich die beiden Johns ordentlich ausgetobt. Prog-Metal, wie er facettenreicher nicht sein könnte. Und das ganze mit einer moderneren Produktion versehen, die so manchen Korn-Klon zum Gerstenkorn degradieren lässt. Dabei habe ich das gleichbetitelte Herzstück von „Octavarium“ noch gar nicht erwähnt. Hier kommt die Liebe der Band zu Pink Floyd zum Vorschein. Der Opener des 24minütigen Epos hätten die Briten sicher nicht besser komponieren können. Eine Atmosphäre, die sicher einige da draußen den Traumtheater nicht zugetraut hätten. Und da sagt noch mal einer, die sind nun vom Kurs abgewichen, nur weil einige Songs ein wenig ruhiger ausgefallen sind. Wenn der U2- Anteil dann irgendwann doch mal überwiegen sollte, nehme ich das natürlich schnellstmöglich zurück. Bis dahin gilt es aber mal für einige die Scheibe 1 261 237x zu hören, um sie auch richtig zu verstehen zu können. Bei manchen dauert es ja bekanntlich ein wenig länger, nicht wahr?

Kategorie

V.Ö.

07. Juni 2006

Label

Warner

Spielzeit

Tracklist

Line Up


Bewertung

1