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Immer wenn eine Band ein Hammer-Album abgeliefert hat, stellt sich vermutlich nicht nur mir die Frage: Wie kann diese Band die ganze Sache beim nächsten Mal toppen? Oder ist eine Steigerung überhaupt gewollt?
Nimmt man eine gewisse Weltbekannte Rockband aus Australien als Beispiel, gibt es seit 30 Jahren keine Steigerung oder Veränderung, sondern immer das Gleiche. Das ist in diesem Einzelfall aber auch gut so, da die Fans immer das Gleiche hören wollen und jeglicher Ausbruch aus dem Standard-Schema nur in einer Katastrophe enden würde.

Dafür gibt es zum Glück Bands wie Evergrey, die es seit Jahren verstehen, sich weiter zu entwickeln und trotzdem unverkennbar zu bleiben. Ich verfolge die Schweden nun schon seit den 1990er Jahren und habe immer wieder betont, dass diese Band zu den unterbewertetsten Bands dieses Genre gehört. Als dann 2014 "Hymns For The Broken" veröffentlicht wurde, setzte eine neue Zeitrechnung ein und mit dem bis zum heutigen Tag bestehenden Line-up wurden die Songs immer besser. An so manchem Kritikpunkt des Kollegen Lison (der in diesem Magazin die Reviews zu "Hymns For The Broken" und "The Storm Within" verfasst hat) schließe ich mich gerne an. Aber eine Weiterentwicklung, sprich Veränderung, kann natürlich auch dazu führen, dass Songs mal nicht so ausfallen, wie es sich der geneigte Höhrer wünscht oder vorgestellt hat. Wie immer die berühmte Geschmackssache.

Dafür gehen Bands wie Evergrey auch zu emotional ans Songwriting heran. Hier werden nicht wie bei einem bekannten deutschen Pop-Titan Bestandteile aus der Hit-Werkstatt zusammengeschraubt, damit am Ende ein weiterer Millionen-Hit rauskommt. Nein, hier geht es anders zu Werke. Das fängt schon bei den Texten an, wo sich auch jetzt Mastermind und Sänger Tom S. Englund wieder mehr Gedanken gemacht hat, als es so mancher Hit-Pop-Songschreiber in seinem ganzen musikalischen Leben machen würde. Wenn dann trotzdem bei Evergrey hitverdächtige Hymnen wie "King of Errors" dabei herauskommen, ist das sicherlich kein Zufall, aber auch nicht mit Gewalt erzwungen.
Aber nun sind mal gerade 15 Monate von der VÖ von "Escape Of The Phoenix" zu "A Heartless Portrait" vergangen. Der zeitliche Abstand von "The Atlantic" zu "Escape Of The Phoenix" war immerhin fast auf den Tag genau 24 Monate. Ein Zeitraum, der schon nötig ist, um solche Songs zu schreiben und aufzunehmen. Damals wie aktuell hat die Pandemie dazu beigetragen, sich mehr aufs Songwriting zu konzentrieren, als unter Tourstress und anderen Dingen des normalen Lebens irgenwie noch zwischendurch und nebenbei Songs zu zaubern.

Und es hat sich wieder ausgezahlt! "A Heartless Portrait" ist ein weiteres Meisterwerk geworden. Da ist es fast schon überflüssig über die Songs zu schreiben, da die Musik für sich spricht.
Aber ein paar Worte soll es trotzdem geben. Das als Opener gewählte "Save Us" drückt sofort mit Macht durch die Kopfhöhrer. Mit der fast durchgehenden Double-Base-Drum und die Mega Hookline zum Refrain wird dieser Song gleich zu einem Favoriten des neuen Albums.
Aber wer Evergrey kennt, weiß, dass es nicht nur schnelle Songs gibt. Die Schwerpunkte liegen im Midtempo-Bereich, wo sich Songs wie "Midwinter Calls" mit seinem leicht verschachtelten Rythmus und das leicht balladeske "Call Out The Dark" ansiedeln. Für "The Orphean Testament" wird der Spannungsbogen dann aber wieder angezogen und es wird wieder härter. Ein geiles Prog-Riffing, ein ausgedehnter Instrumentalteil und einmal mehr der Ausnahmegesang von Tom machen diese Nummer mit ihren 6:30 Minuten Spielzeit zu DEM Song auf "A Heartless Portrait".
"Reawakening" wird von Rikard Zanders Keyboardsounds geprägt und setzt sich zusätzlich durch den einerseits stampfenden aggressiven Rythmus und dem Melodic-Rock lastigen Refrain ab. Auch bei "The Great Unwashed" gibt es wieder schöne Parts, die entweder von dem angezerrten Hammond-Sound oder den Akzenten im Gitarrensolo-Mittelteil und Songende durch Rikards Keyboards diesem Song die gewisse Note verleihen. Nicht zu vergessen, die Hookline im Refrain!
Mit der Single-Auskopplung "Blindfolded" wurde der Evergrey-Gemeinde vor ein paar Wochen bereits ein Schmankerl präsentiert, dass selbst Twilight-Cheffe Marcel Hübner ins Staunen kam.
Die irgendwie immer besser werdende Stimme von Tom S. Englund kann mit dem Abschluss-Song "Wildfires" noch einmal bewundert werden. Eine Akkustic-Ballade, wie sie nur Metal-Bands erschaffen können.

Auf "A Heartless Portait" ist an vielen Stellen Gänsehaut-Feeling garantiert! Und wie immer entfalten sich die Songs erst nach mehreren Durchgängen so richtig.

Für das Vorgänger Album "Escape Of The Phoenix" gabs von mir damals mit 15 Zählern volle Punktzahl.
Für "A Heartless Portrait" müsste die Redaktion das Punkteschema normaler Weise auf 16 Punkte hochsetzen.


Kategorie

V.Ö.

20. Mai 2022

Label

Napalm Records

Spielzeit

Tracklist

  1. Save Us
  2. Midwinter Calls
  3. Ominous
  4. Call Out The Dark
  5. The Orphean Testament
  6. Reawakening
  7. The Great Unwashed
  8. Heartless
  9. Blindfolded
  10. Wildfires

Line Up

Tom S. Englund - Vocals & Guitars
Henrik Danhage -Guitars
Rikard Zander - Keyboards
Johan Niemann - Bass
Jonas Ekdahl - Drums

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