Die Anfänge meiner Metalcoreliebe gingen definitiv auf die Authentizität der musikalisch dargestellten Gefühle zurück. Verzweiflung, Wut, Trauer sind einfach Dinge, die berühren. IMMINENCE schaffen es mit „The Black“ viele Jahre später eine ähnliche Resonanz in mir hervorzurufen, vor allem durch die Tiefe und Dichte von Musik und Lyrik.
Als Eddie Berg, seines Zeichens Frontsänger der grandiosen schwedischen Metalcoreband „IMMINENCE“, seine Geige ans Kinn hebt und loslegt, stellt sich mir die Frage, wie ich dieses Instrument als Vierzehnjähriger mit der Begründung, meine Musik sei damit nicht möglich, an den Nagel hängen konnte. Doch während die Violine definitiv zur Einzigartigkeit von IMMINENCE beiträgt, ist es doch vornehmlich die Dichte und Intensität, die hervorsticht.
Ihr neues Album „The Black“ bezeichnen die Schweden als die bislang größte Annäherung an den innersten Kern ihres kreativen Seins. Selbstverständlich sind dabei nicht alle Songs vollkommen neu. Ganze fünf Singles von „The Black“ wurden bereits veröffentlicht und alle sind absoluten Brecher. Eine dieser ist der Opening Track des Albums „Come Hell Or High Water“, der gleich mal durch Industrial anmutende Klänge beginnt und uns in eine tiefe Verzweiflung ohne Ausweg mitnimmt, die mit einem brillanten Crescendo inklusive einer immer höher klingenden Geige ausklingt. Ähnlich düster klingt auch der nächste Track des Albums: „Desolation“ überzeugt durch mehr Violine bzw. orchestrale Einflüsse und einen absolut eingängigen Chorus. Nummer drei des Albums ist „Heaven Shall Burn“ und im Gegensatz zu den ersten zwei Songs geht es hier direkt richtig zur Sache und die Violine kommt besonders im Chorus zum Einsatz. Einer meiner Lieblingssongs des Albums. „Beyond The Pale“ ist der erste neue Song und beginnt eher klassisch und ist rhythmisch sehr eingängig, sticht aber auch nicht ganz so hervor, wie die vorherigen. „Death By A Thousand Cuts“, eine weitere Singleauskopplung, kommt plötzlich fast poppig im Vergleich daher und wirkt etwas klassischer und näher an den aktuellen Metalcoretrends, wenngleich IMMINENCE immer noch klar zu erkennen ist. Es folgt „Come What May“, was fast powermetallisch beginnt, dann doch den wunderbaren, düsteren, treibenden IMMINENCE-Sound aufweist und zum letzten Drittel mit einem famosen Instrumentalteil daherkommt. Mit „Cul-de-Sac“ ist das Album, Gott sei Dank, definitiv in keiner musikalischen Sackgasse angekommen. Das in der Mitte des Albums gelegene Instrumentalstück markiert das Ende des ersten Teils und den Beginn des zweiten Teils des Albums. Und dieser zweite Teil kommt gleich mit aller Gewalt ins Gesicht gesprungen und erklärt uns voller Inbrunst, dass das Ende der Welt gekommen ist. Ruhigere Passagen stehen im schönen Kontrast zum brutalen Beginn und Breakdown. „Continuum“ ist die fünfte Singleauskopplung und hebt sich durch den Wechsel zwischen harten und seichteren, clean gesungenen Passagen ab. „L’appel du vide“, was „Ruf der Leere“ bedeutet und die innere Stimme beschreibt, die am Rande des Bewusstseins manchmal an einem nagt und einen kurz darüber nachdenken lässt, ob man den Schritt über die Klippe geht oder das Steuer einfach mal in die Leitplanke reißt. IMMINENCE versuchen, diesem Flüstern aus dem Abgrund in unser Bewusstsein ein musikalisches Gewand zu schneidern. In meinen Augen bzw. Ohren ist dies definitiv gelungen. Anschließend folgt mit „The Black“, der Titeltrack und die neuste Veröffentlichung. Hier scheinen IMMINENCE die verschiedenen Elemente der anderen Songs komprimiert in ein Gesamtkunstwerk gepresst zu haben. Elektronische Elemente, Brutalität, Verzweiflung, melodiöses Violinenspiel, (instrumentale) Breakdowns und relativ viel Clean-Gesang erzählen eine Geschichte voller Hoffnungslosigkeit, die im Laufe des Songs auch immer mehr zu ergreifen kann. „Le Noir“ bildet den traurigen, schwermütigen instrumentalen Ausklang des Albums und lässt uns mit wunderbaren Streicherklängen wieder zurück aus der Düsternis in die Realität, die hoffentlich weniger trostlos ist.
Mit "The Black" legen IMMINENCE ein Album vor, das eindrucksvoller kaum sein könnte. Es ist eine Reise durch die Dunkelheit der Seele, beleuchtet von der unerwarteten Schönheit einer Violine, die sich durch die Schwere des Metalcore windet. Diese Platte ist nicht nur ein weiteres Album; es ist ein Zeugnis der Authentizität und emotionalen Tiefe, die Musik erreichen kann. Die Band schafft es, eine Brücke zwischen dem wilden Ausdruck von Verzweiflung, Wut und Trauer und einem fast zärtlichen Gefühl der Hoffnung zu bauen. Die Violine, die nicht bloß als Gimmick dient, sondern als essentielles Element des Sounds von IMMINENCE, verleiht jedem Track eine besondere Note und hebt die Band von ihren Genrekollegen ab.
IMMINENCE gelingt es mit diesem Album, den Hörer mitzunehmen auf eine musikalische Expedition, die so vielschichtig ist, dass man sich darin verlieren kann. Es ist die Art von Album, das man immer wieder hören möchte, nicht nur wegen der komplexen Arrangements und der technischen Finesse, sondern wegen der rohen, ungeschminkten Emotionen, die es vermittelt. „The Black“ ist ein Meilenstein, nicht nur für IMMINENCE, sondern für das Genre als Ganzes. Es ist ein leuchtendes Beispiel dafür, was passiert, wenn Musiker sich trauen, Grenzen zu überschreiten und tief in die Abgründe menschlicher Gefühle zu tauchen.
Kategorie
V.Ö.
Label
Spielzeit
Tracklist
02. Desolation
03. Heaven Shall Burn
04. Beyond The Pale
05. Death By A Thousand Cuts
06. Come What May
07. Cul-de-Sac
08. The Call Of The Void
09. Continuum
10. L'appel du Vide
11. The Black
12. Le Noir
Line Up
Harald Berret - guitar
Alex Arnoldsson - guitar
Peter Hanström - drums