Vier lange Jahre mussten wir auf neues Material der fünf Münsteraner von „Neaera“ warten. Aber am 28. Juni 2024 war es dann endlich so weit. Mit „All Is Dust“ veröffentlichen die Metalcore Urgesteine ihren mittlerweile achten Longplayer, wieder einmal bei Metalblade Records.
Nach der Auflösung 2015 sowie der Reunion 2019/2020, welche aber gewissermaßen der Corona Pandemie zum Opfer fiel, also endlich wieder ein Lebenszeichen von Sänger Benny Hilleke, den beiden Gitarristen Tobias Buck sowie Stefan Keller, dem Bassisten Benjamin Donath sowie Schlagzeuger Sebastian Heldt.
Eines ist von Anfang an klar, die Pandemie ist nicht ohne Einfluss an den fünf Musikern vorbeigegangen. Und auch - wahrscheinlich sogar vor allem - hat der Entschluss, die Musik wieder zusammen im gemeinsamen Proberaum zu schreiben, einen entscheidenden Einfluss auf die neuen Songs gehabt. Begonnen hat der gesamte Schaffensprozess im September 2021. Man hat sich also Zeit genommen, um die gemeinsamen Ideen zu Papier bzw. auf die Notenblätter zu bringen.
Herausgekommen ist ein Neaera typisches Album mit vielen Tempowechseln, einem omnipräsenten Doublebass-Spiel sowie der immer wieder beeindruckenden Stimme von Benny Hilleke.
Gleich beim ersten Track „Antidote To Faith“ ist die musikalische Marschrichtung klar – es geht wieder in die alten Gefilde Anfang der 2000er. Passend - denn schließlich feiern Neaera mit dieser Veröffentlichung auch ihr 20-jähriges Band Jubiläum. Dennoch muss festgehalten werden, dass sich der Song nicht etwa altbacken anhört.
„Pacifier“ beschäftigt sich damit wie man mit sich selbst in Einklang kommt, alten Schmerz und Bedauern hinter sich lässt und Gedanken, die einen behindern aus seinem Leben verbannen kann. „All Is Dust“ stellt sich der Unendlichkeit des Universums und der damit verglichen winzigen Existenz des Einzelnen. Untermalt wird alles von den Riffs des Gitarrenduos Tobias Buck und Stefan Keller, welche den passenden Rahmen hierfür erschaffen.
„Swords Unsheathed“ drosselt das Tempo, bleibt aber dem Themenkomplex innere Einkehr und Beschäftigung mit der eigenen Vergangenheit treu. Besonders hier: im Chorus befindet sich ein Zitat aus Shakespeares Macbeth: „A mind full of scorpions – Full of scorpions is my mind”.
Auch das nachfolgende „Per Aspera“ hat einen ernsten Hintergrund. Der Song ist inhaltlich von den strengen Erziehungsrichtlinien der Lungenärztin Johanna Haarer, geschrieben in der NS -Zeit, geprägt.
„Edifier“ schickt sich an, den Hörer wieder in positive Gefilde zu führen und versucht die grundlegenden Stärken des Einzelnen in den Vordergrund zu stellen. Auch hier nutzt Songwriter Stefan Keller wieder einmal das Stilmittel des Zitats. Diesmal bedient er sich bei dem Gedicht „Invictus“ von William Ernest Henley: „I am the Master of my fate – I am the captain of my soul – And yet the menace of the years – finds and shall find the unafraid – I am the master – I am the master (of my fate)”.
“In Vain” ist ein Cover der 1994 in Hannover gegründeten Progressive Hardcore-Band Veil.
Die letzten drei Songs des Albums „Render Fear Powerless“, „Dividers“ sowie „Into The Hollow“ sind eine wahre Achterbahnfahrt, sowohl musikalisch als auch lyrisch.
Das Album zeigt, dass sich Songwriter Stefan Keller mittlerweile von politischen Texten verabschiedet hat. Er widmet sich auf „All Is Dust“ mehr dem Individuum, dessen Überleben und dessen geistiger Gesundheit.
Nach 47 Minuten steht fest – auch nach 20 Jahren haben Neaera es noch drauf, den Zuhörer mit packenden Riffs und schnellen Melodien in den Bann zu ziehen. Die Texte sind wie gewohnt auf einem sehr hohen Niveau und regen zum Nachdenken an.
Wer sich nach dem Durchhören des Albums auf eine anstehende Tour freut, wird jedoch leider enttäuscht werden. Kurz nach Veröffentlichung von „All Is Dust“ gab Sänger Benny Hilleke bekannt, dass er nach den anstehenden Festivalshows sowie der Record Release Show in Münster am 14.09.2024, aus familiären Gründen eine Pause auf unbestimmte Zeit einlegen wird.
Für mich ein starkes Album - verdiente 12/15 Punkten.
Fotocredit: Xoxo Fotography
Kategorie
V.Ö.
Label
Spielzeit
Tracklist
1 Antidote to fate
2 Pacifier
3 All is dust
4 Swords unsheathed
5 Per Aspera
6 Edifier
7 In Vain
8 Render fear powerless
9 Dividers
10 Into the hollow
Line Up
Stefan Keller – guitars
Tobias Buck – guitars
Benjamin Donath – bass
Sebastian Heldt - drums