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Kaum eine Band hat es in ihrer langen Karriere so erfolgreich geschafft, sich immer wieder neu zu erfinden und sich trotz aller Veränderungen stilistisch letztlich doch so treu zu bleiben, dass ihre Songs unmissverständlich zuordbar sind. Dieser Spagat gelingt RAGE auch auf ihrem 25. Album „Afterlifelines“, welches zugleich das 40jährige Bestehen der Band kennzeichnet!

Abermals zum Trio geschrumpft, haben sich RAGE pandemiebedingt schon bald nach dem starken „Resurrection Day“ abermals im Lucky Bob Studio verschanzt, um an neuem Material zu arbeiten. Dass Peavy und seine Mitstreiter auch nach vier Jahrzehnten nicht an einer Schreibblockade leiden, zeigt sich in dem imposanten Output von 21 Songs, die nicht auf einem einzelnen Album unterzubringen waren. Anstatt der standardmäßigen Jubiläums-Best Of beschenken RAGE die Fans also mit einem Doppelalbum. Doch RAGE wären nicht RAGE, wenn man es hier bei einem schnöden Masse-statt-Klasse-Produkt belassen hätte. Vielmehr unterteilt sich das Doppelalbum in das härtere „Afterlife“, welches nahtlos an die Vorgänger anknüpft sowie das episch-orchestrale „Lifelines“, welches Elemente aus „XIII“ und „Lingua Mortis“ Tagen aufgreift.
Dass RAGE keine stilistischen Scheuklappen tragen, hat sich in der Vergangenheit immer wieder gezeigt und mit wechselnden Besetzungen haben sich auch immer moderne Riffs in die Songs der Nordrhein-Westfalen eingeschlichen. So finden sich nun bspw. auch im saustarken „Under a Black Crown“ Riffs, die man bei anderen deutschen Traditions-Kapellen vergeblich suchen dürfte. Dass es bei RAGE seit jeher eine punkig-thrashige Seite gab, dürfte dem aufmerksamen Hörer nicht unbekannt sein. Diese harte Seite zeigt sich heuer in Songs wie dem brutalen „Waterwar“, welches nicht nur einige Grunzer enthält, sondern auch heftigstes Gitarrengewitter, welches sich zwischenzeitlich immer wieder in versöhnlichen Grooves entlädt. Dass sich das Songwriting aber letztlich nicht so sehr von den Anfangstagen der Band unterscheidet, wird hörbar, wenn man bspw. einmal neuere Aufnahmen alter Songs wie „Perfect Day“ anhört – der Song hätte grundsätzlich auch gut auf dem „Afterlife“-Teil seinen Platz gefunden. Denn schlussendlich laufen RAGE immer dann zu Höchstform auf, wenn sie eingängige Melodien durch die Membranen schießen: „Mortal“, „Toxic Waves“, „Justice Will Be Mine“, um nur einige Beispiele zu nennen.
Mit dem fast rockigen „Life Among The Ruins“ findet das Trio dann den passenden Übergang zum zweiten Teil des Albums, welches durch das einfühlsame Intro von „Cold Desire“ eingeleitet wird. Doch wer hier nun Weichmacherei befürchtet, wird spätestens dann eines Besseren belehrt, wenn der Song in einen schnellen, kraftvollen Metal Kracher umschlägt. Trotzdem geht es auf „Lifelines“ grundsätzlich etwas bedächtiger zu als auf dem ersten Teil des Albums. Auch wenn die Attitüde in Songs wie „Curse The Night“ oder „The Flood“ sicherlich an „XIII“ erinnert, wird hier nicht nur Altes neu aufbereitet, sondern die Vision von damals erfolgreich ins Jahr 2024 transportiert. Die epische Seite der Band wird in „Lifelines“ wunderbar herausgestellt, während die dritte Auskopplung „Dying To Live“ (übrigens mit Gesangsduett von Peavy und Jean) sehr schön die ruhige Seite von Rage zeigt. Mit „Interlude“ und dem abschließenden „In the End“ hat man dann die passenden Rausschmeißer für dieses Mamutprojekt gefunden.
Ich muss gestehen, dass ich anfangs etwas mit „Afterlifelines“ fremdelte, was allein schon an der schieren Menge an dargebotenem Material gelegen haben mag. Auf den ersten Blick eine Überforderung, in Zeiten, in den Zeit ein hohes Gut ist. Doch wenn man sich vorsichtig an einzelne Songs herantastet, wird man bald feststellen, dass es rechts und links von dem jeweiligen Song weitere geile Riffs oder Melodien oder Arrangements gibt und so findet man sich schließlich in das komplette Album hinein. Und wenn „Afterlifelines“ aus irgendwelchen Gründen RAGEs letztes Werk gewesen sein sollte (was ich nicht hoffe), können Peavy, Lucky und Jean sicher sein, sich mit einem der Historie der Band angemessenen Monumentalwerk verabschiedet zu haben.

Kategorie

V.Ö.

29. März 2024

Label

Steamhammer

Spielzeit

1 Std. 27 Min

Tracklist

CD 1
01. In The Beginning 1:31
02. End Of Illusions 3:48
03. Under A Black Crown 4:00
04. Afterlife 3:45
05. Dead Man's Eyes 3:24
06. Mortal 4:04
07. Toxic Waves 3:36
08. Waterwar 3:42
09. Justice Will be Mine 4:35
10. Shadow World 3:22
11. Life Among The Ruins 4:06

CD 2
01. Cold Desire 3.59
02. Root Of Our Evil 4:02
03. Curse The Night 3:34
04. One World 4:24
05. It's All Too Much 5:11
06. Dying To Live 4:51
07. The Flood 3:56
08. Lifelines 9:54
09. Interlude 2:43
10. In The End 3:23

Line Up

Peter “Peavy” Wagner (vocals, bass)
Vassilios “Lucky” Maniatopoulos (drums)
Jean Borman (guitars)

Bewertung

1