Zum Hauptinhalt springen


Während man für das rohe, verschwitzte Frühwerk ebenso wie für Geniestreiche wie „Death Or Glory“ oder „Blazon Stone“ bei „Bares Für Rares“ zweifellos wahre Bietergefechte entfachen dürfte, könnte dem Anbieter mindestens für „Shadowmaker“, aber vielleicht auch für das ein oder andere Album der 2000er Jahre die begehrte Händlerkarte verwehrt bleiben: zweifelhafter Sound, musikalische Stangenware. Und mittlerweile gibt es mit BLAZON STONE sogar eine Truppe, die sich anschickt, den alten Meister besser zu kopieren, als er selbst es noch hinbekommt.
Doch spätestens mit „Resilient“ manövrierte Rolf sein Schiff wieder stärker auf Erfolgskurs, so dass ihm mit dem Nachfolger „Rapid Foray“ durchaus auch einige Altfans durchaus Respekt zollten.
Mit „Blood On Blood“ soll nun – laut Labelinfo – das Leuchten zurück in die Augen der Fans bringen. Das ist mit der ersten Single „Diamonds & Pearls“ noch nicht gelungen – jedenfalls leuchteten meine Augen leider nicht besonders. Dabei trägt der Song deutlich Rolfs Handschrift und ist im Grunde auch kein schlechter Song, aber eben auch keine Granate. So ein bisschen wie Designermode vom Discounter. „The Shellback“ kommt da schon etwas knackiger um die Ecke. Gerade das Eröffnungspattern dürfte Fans aller Generationen ergreifen und auch der verstromte Fortgang des Tracks zeigt durchaus einen deutlichen 80er/90er Einschlag. Auch der Chorus mit seiner textlichen Reminiszenz an das „Black Hand Inn“ gefällt. Und tatsächlich hat „Blood On Blood“ deutlich stärke Nummern als „Diamonds & Pearls“ geladen. Das eröffnende, titelgebende „Blood On Blood“ ist der erste Beweis, denn hierwird nicht nur großes RUNNING WILD Riffing betrieben, sondern auch ein bombastischer Chorus abgefeuert. „Wings of Fire“ hält in Sachen Eingängigkeit vielleicht nicht ganz mit, ist dafür aber eine Spur rauer. Mit „Wild & Free“ und „“Wild, Wild Nights“ liefert Rolf zwei „Partysongs“ ab, die wohl in der Tradition früher Rebellionshymnen wie „Raise Your Fist“ oder „Chains & Leather“ zu sehen sind, an deren unverwüstliche Klasse aber natürlich heranreichen.
Für „One Night, One Day“ hat Rolf dann sogar seine Gibson Explorer an die Wand gehängt und zur Fender Telecaster gegriffen. Zwar drückt man sich im Labelinfo um den Begriff „Ballade“ und spricht stattdessen eher von „cleaner Gitarrenarbeit“, „hymnischer Ausrichtung“ und „ungewöhnlichem Arrangement“. Stimmt auch alles, wird bei einigen Fans aber zweifelsohne nicht nur im Positiven für feuchte Augen sorgen. Nach den ersten Takten habe ich mich auch gefragt, was das sein soll. Doch – und da muss man Rolf Recht geben – der Song baut sich tatsächlich über seine gesamte Spielzeit kontinuierlich auf, bis er am Ende fast an verrockten Gospel erinnert. An diesem Song werden sich die Geister sicherlich am ehesten und lautstärksten scheiden. Nach einigen Runden gefällt mir persönlich der Track ganz gut, obwohl er irgendwie klingt als würden die SCORPIONS und THIN LIZZY gemeinsam zum Erntedank bei den Pilgrim Fathers zum Geleit spielen. Auf jeden Fall eine eingängige Nummer, die ich so nach den ersten Takten nicht erwartet hätte.
Der opulente Rausschmeißer „The Iron Times“ steht natürlich in bester RUNNING WILD Tradition von Songs wie „Treasure Island“, „The War“, „Bloody Island“ oder „The Last Of The Mohicans“. Den direkten Vergleich zu „Treasure Island“ ziehen wir jetzt mal nicht, aber tatsächlich könnte man „The Iron Times“ möglicherweise an die zweite Stelle in der obigen Aufzählung setzen. Qualitäten hat die Nummer und für ausreichend Abwechslung wurde ebenfalls gesorgt. Neben einem eingängigen Chorus gefallen vor allem die Gitarrenleads und  -licks, die auch in Sachen Sound an 90er Jahre RUNNING WILD erinnern. Ein würdiger Abschluss.

Mit „Blood On Blood“ liefern RUNNING WILD – wenn wir wirklich ehrlich sein wollen – ein echtes RUNNING WILD Album ab. Punkt. Nicht alle Songs sind Gold, doch wer sich auf die Scheibe einlässt, kann zahlreiche große und kleine Schätzchen entdecken. Kaum vorstellbar, wie der Opener oder das Finale mit großem Studio M Sound geklungen hätten. Tatsächlich ist der Sound nämlich einer der Punkte, die mich am ehesten etwas weniger begeistern. Vieles klingt für meine Ohren zu sehr nach Transistor oder Modelling, stellenweise erinnern mich die Gitarrensounds sogar an diesen etwas knarzigen Jeff Waters Sound, den ich auch nicht mag. Über allem schwebt Rolfs Stimme und insgesamt klingt die ein oder andere Stelle wie ein Sammelsurium von Aufnahmen, die dann eben zusammengefügt wurden, aber nicht ganz zusammengehören wollen. Aber das ist wohl eher mein Problem.
„Blood On Blood“ hat sicherlich mehr Originalteile unter der Haube als ein deutscher Oberklassewagen und mehr als einmal verneigt sich Rolf vor den 80ern und 90ern. Das „Blood On Blood“ Alben wie „Port Royal“, Blazon Stone” oder “Pile of Skulls”, um nur drei zu nennen, nicht auf die Plätze verweisen wird ist klar, liegt aber nicht unbedingt daran, dass RUNNING WILD hier schlechte Songs abliefern, sondern wohl eher daran, dass wir nicht mehr in den 80er und 90ern leben, auch wenn wir uns (zumindest musikalisch) noch so sehr dorthin zurücksehnen mögen. Insofern: Glückwunsch Rock’N‘Rolf!


RUNNING WILD live  2022:
08.07. Ballenstedt - Rockharz Open Air




Kategorie

V.Ö.

29. September 2021

Label

Steamhammer

Spielzeit

56 Min

Tracklist

01 BLOOD ON BLOOD 4:07
02 WINGS OF FIRE 3:57
03 SAY YOUR PRAYERS 5:14
04 DIAMONDS & PEARLS 4:44
05 WILD & FREE 5:28
06 CROSSING THE BLADES 6:00
07 ONE NIGHT, ONE DAY 4:59
08 THE SHELLBACK 6:11
09 WILD, WILD NIGHTS 4:30
10 THE IRON TIMES (1618 - 1648) 10:29

Line Up

Rock N’ Rolf– guitar, vocals
Peter Jordan– guitars
Ole Hempelmann - bass
Michael Wolpers– drums