Während es Mitte der 90er Jahre mal negative Schlagzeilen über die Geschäftsbeziehung zwischen RUNNING WILD und ihrem Label NOISE gab, äußerte sich Rolf in unserer „Blast From The Past“ Serie erstaunlich positiv über sein ehemaliges Label – andere damalige Mitstreiter stehen den damaligen Geschäftspraktiken und den damit zusammenhängenden Verträgen weniger versöhnlich gegenüber. Wie dem auch sei, für die Fans bedeutet die Wiederentdeckung der NOISE Juwelen im Plattenkeller der BMG vor allem, dass endlich alte Klassiker wieder problemlos und zu menschlichen Preisen erhältlich sind. Zudem werden, wie im Fall von RUNNING WILD, einige Alben erstmals auf Vinyl zu haben sein. Dass die Re-Releases mit Bonusmaterial und Linernotes, für die Rolf ausgiebig interviewt wurde, versehen wurden, versteht sich heute wohl von selbst. Dankenswerterweise kommen die CD Versionen auch allesamt im hübscheren Digi-Pack Format und nicht in der schlichten Plastikhülle.
Als verspätetes Weihnachtsgeschenk landete 1984 das Debüt der Hanseaten auf dem Gabentisch der Metalgemeinde. Kumpel Django bediente wirksam das Schweißgerät und schon war das legendäre Cover von „Gates To Purgatory“ geboren. Nieten und Leder gehörten ebenso zum Image der Band wie höllische und rebellische Lyrics. Das Songs wie „Prisoners of our Time“ bis heute zu den Klassikern der Band gehören, muss nicht erwähnt werden. Die Playlist der Scheibe wurde mal eben verdoppelt und den acht eigentlichen Tracks wurden einerseits mit „Chains & Leather“ und „Adrian“ die Tracks des NOISE Samplers „Rock from Hell“ beigefügt, zudem B-Seiten, Sampler-Beiträge und die 1991 auf dem Jubiläumsalbum „10 Years of Piracy“ enthaltenen neu eingespielten Versionen von „Soldiers of Hell“ und „Prisoners of our Time“.
Mit „Branded and Exciled“ erschien bereits ein Jahr nach dem erfolgreichen Debüt das Zweitwerk der Hamburger. Die Metalgemeinde verzehrte sich offenbar nach dem rauen Metal aus heimischen Gefilden. Kurz vor den Aufnahmen musste „Preacher“ die Band verlassen und Majk Moti übernahm die zweite Klampfe, ist jedoch nur bei einigen Soli tatsächlich zu hören, da er keine Zeit hatte, die Songs noch rechtzeitig zu lernen. Obwohl Rolf seinerzeit keineswegs mit dem Sound der neuen Platte zufrieden war und dies in Interviews auch so sagte, verkaufte sich die Platte noch besser als das Debüt. Tatsächlich klingt „Branded And Exiled“ weniger evil als das Debüt und hier und da fehlt der Produktion etwas Druck. Dennoch entwickelten sich Songs wie der Titelsong, „Chains & Leather“, „Fight the Oppression“ oder „Marching To Die“ zu Klassikern. Entsprechend wurden auch diese Songs, sowie „Mordor“ als Bonustracks ausgewählt. Natürlich auch deshalb, weil für drei Songs neue Versionen vom „Ten Years of Piracy“ vorlagen und „Branded and Exciled“ und „Mordor“ 2003 nochmals neu aufgenommen worden sind.
Das dritte Album gilt gemeinhin als „Make or break“ Zäsur in der Geschichte einer Band. In dieser Hinsicht mussten sich Kasparek und seine Crew keine Gedanken machen. Mit „Under Jolly Roger“ legte die Band nicht nur den Grundstein für ihr Piratenimage, sondern lieferte mit dem Titeltrack auch einen weiteren Evergreen der Bandgeschichte ab. Hinzu kamen starke Songs wie „Raw Ride“, „Diamonds of the Black Chest“ und „Raise Your Fist“. Erstmals hatte nun auch Moti Gelegenheit sich ins Songwriting einzubringen, was er z.B. bei „Raise Your Fist“ auch tat. Als erste CD der Re-Releases bekommt der Fan hier ein fettes Doppelalbum präsentiert. Die Bonus-CD enthält die neueren, 1991 im Studio M entstandenen Aufnahmen vom „Ten Years of Piracy“ Album, sowie eine Alternative Version von „Beggar’s Night“, den Bonustrack „Apocalyptic Horsemen“ des 2003 erschienenen „20 Years in History“ Best ofs, sowie Neuaufnahmen aus dem selben jahr von „Under Jolly Roger“ und „Raise Your Fist“ – wobei mir die 1991er Version fast am besten gefällt.
Nach dem ersten Livealbum „Ready for Boarding“ erschien im September 1988 das „Port Royal“ Album und die Band präsentierte das neue Line Up mit Jens Becker am Bass und Stefan Schwarzmann an den Trommeln erstmals auf einem Studioalbum. Highlights des vierten Albums sind bis heute sicherlich der Titeltrack sowie das geniale „Conquistadores“. Seinerzeit wurden aber sicherlich auch Songs wie „Into the Arena“ oder „Uaschitschun“, welches hier auch als 92er Version enthalten ist, zu den Höhepunkten des Albums. Die Bonuszugaben fallen hier etwas sparsamer aus als beim Vorgänger. Es wären vielleicht einige Livesongs vom „Ready for Boarding“ Album denkbar gewesen, denn das ist bislang ja nicht als Re-Release vorgesehen.
Für „Death or Glory“ kehrten RUNNING WILD, abermals mit teilweise neuem Line Up, erstmals in Studio M in Machtsum ein. Dort drehte nun Jan Němec, der bereits oder in Zukunft auch mit Bands wie HELLOWEEN, GRAVE DIGGER, ZED YAGO, CELTIC FROST, BUBI THE SCHMIED, VELVET VIPER arbeitete, an den Reglern. Die Zusammenarbeit sollte bis zum „Pile of Skulls“ Album andauern.
Zwar war „Death or Glory“ wohl noch nicht der kommerzielle Höhepunkt der Band – der sollte, wenn ich nicht falsch liege, mit dem Nachfolger erreicht werden – aber dennoch gehört die Scheibe zu den besten RUNNING WILD Scheiben in der Geschichte der Band. Zu den bekennenden Fans des Albums gehören z.B. Leute wie ORDEN OGAN Frontmann Seeb. Die Hitdichte ist mit Songs wie „Riding the Storm“, „Renegade“, „Evilution“, „Tortuga Bay“, „Battle of Waterloo“ oder dem genialen „Bad to the Bone“ auch tatsächlich erschreckend hoch. Seit langer Zeit präsentierte sich die Band auch in Sachen Songwriting als Einheit und Käpt‘n Rolf ließ sich sogar überreden einen Song aus der Feder von Gitarrist Moti und dem neuen Drummer Ian Finlay als Titeltrack zu nehmen. Das sich die Band songwriterisch auf einem absoluten Höhenflug befand, zeigte sich nicht zuletzt in der Tatsache, dass wenige Wochen nach Album-Release mit „Wild Animal“ noch mal eben eine EP nachschieben konnte, die Hochkaräter wie „Wild Animal“ und „Störtebeker“ enthielt und zudem endlich eine soundtechnisch überzeugende Version von „Chains & Leather“ lieferte. Als weitere Zugabe enthält das vorliegende Re-Release neben besagter EP noch „Re-Worked“ Versionen von „Riding The Storm“ und „Bad To The Bone“ aus dem Jahr 2003, also vermutlich ebenfalls vom „20 Years in History“ Best of. Als Coverartist wurde abermals Sebastian Krüger verpflichtet, der ohne Zweifel einen hervorragenden Job abgeliefert hat.
Man mag der Meinung sein, dass die jüngeren Releases der Band weniger überzeugend sind als das Frühwerk von RUNNING WILD. Diese erste Rutsche von Re-Releases zeigt jedoch, dass der Adrian für das Lebenswerk an niemand anderen als Rock’N’Rolf geht. Danke für so viele Höhepunkte und all die schönen Jahre!
Wer mehr über die Anfangstage der Band erfahren möchte, sollte sich unsere „Blast From The Past“ Folge mit Rolf nicht entgehen lassen!
http://www.twilight-magazin.de/interviews/item/blast-from-the-past-%E2%80%93-teil-2-mit-rock-n-rolf-von-running-wild.html