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„Fette neun Punkte für die vielleicht beste Rock'n'Roll-Scheibe seit Thin Lizzys "Thunder And Lightning"“ vergab Thomas Kupfer seinerzeit im Rock Hard für das vierte Studioalbum der Hannoveraner THUNDERHEAD, welches im Dezember 1993 über G.U.N. Records erschienen ist.

Und auch Gitarrist Henny bestätigte mir damals im Interview, dass „Killing With Style“ für die Band sicherlich als Messlatte gelte, da THUNDERHEAD draufstehe und auch drin sei. Und genau so sieht es aus, denn keiner der Vorgänger war derartig kompromisslos, abwechslungsreich und ohne Makel. In einer gerechten Welt hätte dieses Album, welches zudem noch von Andreas Marshall mit einem tollen Artwork veredelt worden war, die Hannoveraner in die erste Liga der dreckigen Rockbands katapultieren müssen. Doch die Dinge laufen eben oftmals anders…
Fakt ist, dass mich der geniale Opener „Young and Useless“ sofort fesselte, als ich ihn erstmals als Video gesehen habe: Welch ein geniales Riff, dann die donnernden Drums von Alex Scotti sowie Ole Hempelmanns treibender Bass und der kurze Einstiegsrülpser von Reibeisenstimme Ted Bullet. Besser kann man es nicht machen. Der Song versprüht pures Adrenalin.
„8-Bald“ nimmt zwar anschließend etwas das Tempo raus, rotzt dem Hörer aber mit seinem schweren Riff und Bullets abgewixten Lyrics die Angepisstheit der Protagonisten quasi direkt vor die Füße. Dreckiger ist nur der Boden der Glocksee in Hannover.
Auch „Just When I Try” verbindet gekonnt Gitarrist Henny Wolters Vorliebe für Blues und traditionellen Rock N Roll mit dem Staub und Dreck der Straße, den der Ami Ted Bullet mit in die Band bringt. Gekrönt wird der Song mit einem eingängigen Chorus, der bis heute im Ohr bleibt. Das gilt ebenso für „Overload“, welches alle Trademarks der Vorgängeralben zusammenfasst.
Es folgt ein bis heute von nur wenigen Bands erreichtes Highlight: die Halb-Ballade „Movin‘ On“. Text und musikalische Umsetzung dieser Trennungsgeschichte sind eine absolut perfekte Melange ohne peinliches Pathos. „Movin‘ On“ rotiert seit 30 Jahren ohne Unterbrechung in meinen Playlisten und wird bei jeder Gelegenheit lauthals mitgesungen. Bei Spotify scheint der Song nicht zu finden zu sein, was einiges über dieses mehr als fragwürdige Medium der Neuzeit aussagt.
Wie liebevoll kann einem ein Song die Fresse polieren? Besser als „Save Me“ mit seinem donnernden Bassintro gelingt das wohl kaum. Auch hier passt einfach alles: Gitarren, Rhythmussektion und Gesang spielen sich die Bälle in anmutiger Perfektion zu und mir fällt keine Band ein, die gleichzeitig so eingängig und dreckig klingt, wie THUNDERHEAD anno 1993.
Zwischen Groove und dem zackigen Knallen der Lederpeitsche treiben THUNDERHEAD die Fans mit „House of Swallows“ und dem schnellen „Whips And Chains“ weiter vor sich her, ohne ihnen eine Verschnaufpause zu gönnen. Die gibt es dann erst mit der einfühlsamen Ballade „Down In Desperation“, welche – ebenso wie „Young And Useless“ von Detlef Mohrmann (u. a. FAITHFUL BREATH, MORGOTH, RISK) aufgenommen wurde. Große musikalische Momente müssen nicht immer aus den USA kommen, sondern können durchaus auch in der niedersächsischen Großstadttristesse entstehen.
Während „Hard Times“ für mich der vielleicht durchschnittlichste – aber beileibe kein schlechter –Song des Albums ist, darf bei „Redline“ zunächst wieder Basser Ole in die Saiten greifen, bevor der Rest der Truppe zur Unterstützung kommt und einmal mehr in fetten Lettern den Namen Thunderhead in den Staub der Straße meißelt.
„When we met, it was perfection” – Worte, die den Rausschmeißer des Albums nicht nur einleiten, sondern auch perfekt beschreiben. Ein weiteres Mal beweisen Wolter, Bullet & Co, dass sie geniale Balladen schreiben können. „Loosen Up Your Grip“ klingt absolut amerikanisch und muss sich vor den großen Kuschelhits á la DOKKEN, FIREHOUSE, WARRANT & Co nicht verstecken. Zumal man zu keiner Sekunde das Gefühl hat, dass zwei Vollballaden auf dem Album übertrieben wären.
THUNDERHEAD erreichen 1993 auf „Killing With Style“ wahre Größe und der Albumtitel hätte für ein solches Werk nicht passender gewählt werden können. Mit Unterstützung von Ulli Pösselt (u.a. AXEL RUDI PELL, RAGE, SODOM) und Charlie Bauerfeind (u.a. HEAVEN’S GATE, DEMON, ANGRA, SARGANT FURY) haben die Donnerköpfe genau den richtigen Sound für ihre Songs gefunden und die Eingängigkeit guten Hard Rocks perfekt mit der Rohheit der Straße verbunden. Wolter liebt bis heute das Analoge und das hört man auch „Killing With Style“ an, denn ein ehrlicheres Album hat es wohl 1993 nicht gegeben. Insofern verwundert es nicht, dass „Killing With Style“ zum erfolgreichsten Album der Bandgeschichte avancierte, der Band ausgedehnte Touren (u.a. mit SAXON und Rage in Japan) bescherte und darüber hinaus im einzigen Livealbum der Band mündete.
Doch schon kurze Zeit später verdunkelte sich der Himmel im THUNDERHEAD Lager, die Stimmung kippte und es kam sogar zu Handgreiflichkeiten. Als 1995 dann „Were you told the truth about hell“ veröffentlicht wurde, blieb ich fassungslos zurück. Ebenso wie es auf „Killing With Style“ keinen einzigen Ausfall gibt, so wenig ist es mir bis heute gelungen, auf dem Nachfolger einen gelungenen Song zu finden. Eine Achterbahnfahrt der Gefühle, die das drohende Ende der Band erahnen ließ. Doch das ist eine andere Geschichte.
Mit „Killing With Style“ setzten sich THUNDERHEAD aus Hannover 1993 ein musikalisches Denkmal, welches bis heute ungebrochen strahlt. Es ist selten, dass eine Band ein Album abliefert, welches den Test der Zeit in seiner Gesamtheit so unbeschadet übersteht – selbst wenn sicherlich „Young and Useless“ und „Movin‘ On“ ganz besonders hervorstechen – und gleichzeitig so selten im kollektiven Gedächtnis der hardrockenden Gemeinschaft auftaucht. Schade, dass dem Album nie die gebührende Aufmerksamkeit zuteilgeworden ist. Doch es ist ja bekanntlich nie zu spät und wer „Killing With Style“ bis heute nicht für sich entdeckt hat, der sollte sich sofort auf die Suche machen. Es lohnt sich.

https://thunderhead-headquarters.de/band-history/

Kategorie

V.Ö.

09. Dezember 2023

Label

G.U.N. Records

Spielzeit

ca. 47 Min

Tracklist

1. Young And Useless 3:37
2. 8-Bald 2:28
3. Overload 2:53
4. Just When I Try 3:15
5. Movin' On 4:19
6. Save Me 3:21
7. House Of Swallow 3:01
8. Whips And Chains 3:19
9. Down In Desperation 4:06
10. Hard Times 3:53
11. Redline 3:55
12. Loosen Up Your Grip

Line Up

Vocals : Ted Bullet
Guitars : Henrik Wolter
Guitars : Ted Bullet
Bass : Ole Hempelman
Drums : Alex Scotti

Bewertung

1